Interview mit Postbank-Chef Frank Strauß "Die Perspektive für Bonn ist positiv"

Die Postbank wird derzeit mit der Deutschen Bank zusammengelegt. Zunächst wollte die Deutsche Bank die Postbank eigentlich verkaufen oder an die Börse bringen. Doch das Management entschied sich um: Die Postbank bleibt im Konzern und wird als eigenständige Marke weitergeführt.

Auf welche Änderungen müssen sich Kunden durch die Integration des Privatkundengeschäfts von Deutscher Bank und Postbank einstellen?

Frank Strauß: Für die Privat- und Firmenkunden bleibt alles, wie es ist. Die Strategie heißt: eine Bank, zwei Marken. Die einen bleiben Postbank-Kunden, die anderen Kunden der Deutschen Bank. Die Veränderungen passieren im Hintergrund.

Welchen Einfluss wird die Integration auf den Standort Bonn haben?

Strauß: Natürlich hat die Integration Auswirkungen für unseren Standort Bonn. Wir haben ja strategisch etwas verändert. Die langfristige Perspektive für Bonn ist aber positiv, denn wir haben entschieden, dass die künftige gemeinsame Zentrale zwei Standorte haben soll: in Frankfurt und in Bonn.

Wollen Sie denn die Gelegenheit nutzen, innerhalb von Bonn umzuziehen? Die Postbank ist ja derzeit auf mehrere Standorte verteilt.

Strauß: Wir haben gerade einen langfristigen Mietvertrag mit dem Eigentümer des Geländes vom Bonn-Center am Bundeskanzlerplatz abgeschlossen. Das Projekt, das dort errichtet wird, heißt Neuer Kanzlerplatz. Der Umzug ist aus unserer Sicht eine Sache des gesunden Menschenverstands. Wir wollen uns für unsere Teams räumlich moderner aufstellen, um die Zusammenarbeit untereinander weiter zu verbessern. Aber: Wir wollen auch Kosten sparen. Die alten Gebäude sind nicht so effizient zu nutzen, wie wir das vom neuen Standort erwarten. Daher geben wir unsere bisherigen neun Standorte in Bonn nach dem Umzug auf, unser Rechenzentrum bleibt natürlich erhalten. Ende 2021 soll alles fertig sein.

Für wie viele Mitarbeiter planen Sie denn am Bundeskanzlerplatz?

Strauß: Das kann ich Ihnen gar nicht so genau sagen. Wir werden dort modernere Arbeitsplatzkonzepte haben als heute. Es geht um offene Büros und andere Schreibtischkonzepte. Aber wir planen mit Kapazitäten, die sich ungefähr auf dem Niveau der Mitarbeiterzahl bewegt, die wir heute in Bonn haben.

Sie haben gut 3100 Stellen in der Bonner Zentrale...

Strauß: Und rund 3500 Mitarbeiter, denn ein Teil arbeitet ja stundenreduziert. Und wir wollen auch in der Zentrale weiter kontinuierlich effizienter werden.

Wird Bonn als wichtiger IT-Standort für die Postbank auch Aufgaben für die Deutsche Bank übernehmen?

Strauß: Grundsätzlich wollen wir keine Überlappungen. Das gilt für alle Tätigkeiten der Zentrale. Wir werden in den kommenden Monaten die Aufgaben verteilen. Aber das bedeutet nicht, dass künftig die ganze IT ausschließlich in Bonn oder in Frankfurt ist. Eine sinnvolle Aufgabenverteilung ergibt sich schon aus den Stärken der jeweiligen Marken: Die Postbank ist eher auf die klassischen Bankdienstleistungen orientiert, die Deutsche Bank eher auf das Wertpapiergeschäft und ganzheitliche Beratung.

Werden Mitarbeiter zwischen Bonn und Frankfurt umziehen müssen?

Strauß: Es ist eine rationale Entscheidung gewesen, eine Bank mit zwei Standorten zu entwickeln. Damit minimieren wir die Notwendigkeit von Umzügen. Aber natürlich wird es auch Bewegung in beide Richtungen geben.

Stand der Standort Bonn zwischendrin grundsätzlich zur Debatte?

Strauß: In einem Strategieprozess steht immer alles zur Disposition. Es müssen alle grundlegenden Fragen gestellt werden. Aber durch die Entscheidung für die Zwei-Marken-Strategie haben wir gesagt, wir wollen die Kompetenz beider Teams nutzen. Natürlich werden wir auch restrukturieren. Im Bankgeschäft werden langfristig weniger Mitarbeiter beschäftigt sein. Das passiert nach und nach. In den letzten 24 Monaten haben wir unsere personellen Kapazitäten schon um zehn Prozent reduziert. Durch die Vereinbarung mit den Gewerkschaften passiert das alles sozialverträglich. Eben auf die „deutsche Weise“, wie Deutsche-Bank-Chef John Cryan es gesagt hat.

Zunächst ist der Abbau von 1000 Stellen bekannt gegeben worden. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2022 ausgeschlossen. Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften?

Strauß: Wir haben ein konstruktives Verhältnis mit den Gewerkschaften, auch wenn es unterschiedliche Rollen gibt. Das gemeinsam verabschiedete Eckpunktepapier gibt uns die Möglichkeit, Veränderungen zügig, aber auch sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen umzusetzen. Dazu nutzen wir auch Abfindungen und Vorruhestandsregelungen, denn wir haben ein relativ hohes Durchschnittsalter in der Belegschaft.

Es gibt unter Ihren Mitarbeitern einen hohen Anteil an Beamten. Stellt Sie das bei der Neuorganisation vor besondere Herausforderungen?

Strauß: Nein, auf der Mitarbeiterseite nicht. Es gibt unter den Beamten genauso viele motivierte und fähige Mitarbeiter wie unter den Angestellten. Nur bei der Rechtseinheit gibt es durch die Verschmelzung juristische Besonderheiten.

Wie gehen Sie jetzt bei diesem großen Projekt organisatorisch voran?

Strauß: Der allererste Punkt ist, für unsere Entscheidungen zu werben und sie zu erläutern. Denn natürlich haben sich Mitarbeiter in beiden Organisationen Sorgen gemacht, was ihre Zukunft betrifft. Auch heute können wir noch nicht überall sagen, was die Konsequenzen für jeden einzelnen Mitarbeiter sein werden. Wir haben ja einen Umsetzungszeitraum von drei bis fünf Jahren. Zunächst setzen wir die Teile der Strategie um, die auf der Hand liegen. Dazu gehörte beispielsweise die frühzeitige Verlängerung unserer Vereinbarung mit der Deutschen Post. Dies war ja ein deutlicher Ausdruck dafür, dass wir auch in Zukunft auf die Postbank-Marke mit einem breiten Filialnetz setzen. Gleichzeitig machen wir unser Filialnetz auch effizienter und moderner. Auch wir haben in den vergangenen zwei Jahren 50 Filialen zusammengelegt oder geschlossen.

Was werden weitere wichtige Wegmarken beim Zusammengehen sein?

Strauß: Ein weiterer Meilenstein ist die Verschmelzung der beiden Banken zu einer Rechtseinheit. Das wird im zweiten Quartal so weit sein. Dann können wir unsere Strukturen im Hintergrund weiter gezielt anpassen. So werden wir einen Schritt nach dem anderen gehen. 2019 wird beispielsweise ein weiterer wesentlicher Schritt die Verschmelzung der BHW Bausparkasse und der Deutschen Bauspar AG sein. Außerdem müssen wir natürlich mit Behörden, die uns überwachen, Kontakt halten. Es gibt bei einem Zusammengehen von zwei so großen Instituten viel Abstimmungsbedarf.

In der Bankenwelt geht es um große Umwälzungen. Wohin wird die Digitalisierung Sie führen?

Strauß: Es ist ja nicht nur die Digitalisierung allein. Auch das Niedrigzinsniveau wird ein wichtiges Thema bleiben. Am Ende wird unsere Branche weniger Menschen beschäftigen. Aber mit der Post zusammen können wir eine breite Präsenz in der Fläche aufrechterhalten. Daneben stehen wir mit sechs Millionen Digitalkunden bereits sehr gut da. Zusammen mit der Deutschen Bank haben wir zehn Millionen Digitalkunden. Zum Jahresende wollen wir mit unserer gemeinsam geplanten Digitalbank noch einen Schritt weitergehen. Uns erwachsen durch die Digitalisierung neue Wettbewerber. Wir wollen deshalb neben der Modernisierung unserer Kernmarken auch zu neuen Spielregeln auf diesen Wettbewerb eingehen können. Für die Marke Postbank sehen wir einen Wettbewerbsvorteil durch die Kombination von Filialgeschäft und Digitalgeschäft.

Sehen Sie denn in Bonn oder in Frankfurt mehr personelle Kompetenzen für die geplante Digitalbank?

Strauß: Es gibt in beiden Städten gute personelle Kompetenz. Aber die Wahrheit ist: Wir werden auch von außerhalb personelle Kompetenz brauchen. Selektiv werden wir uns mit frischem Blut verstärken, um externe Erfahrungen und Kompetenzen hinzuzugewinnen, die nicht nur aus der Bankenbranche kommen sollten.

Gibt es schon eine Tendenz, wo die Digitalbank angesiedelt werden soll?

Strauß: Nein, dafür brauchen wir noch Zeit.

Wird es bei der Postbank durch die Zusammenarbeit mit der Post weniger um Filialschließungen gehen als bei der Deutschen Bank?

Strauß: Die Deutsche Bank hat ihr Filialnetz ja bereits umfassend überarbeitet. Bei der Postbank haben wir einen unglaublich großen Zustrom an Kunden in den Filialen, teilweise leider auch mit Warteschlangen. Unsere Herausforderungen sind deshalb andere. Wir müssen die Filialen modernisieren.

900 Millionen Euro sollen ab 2022 jährlich durch die Verschmelzung beider Banken eingespart werden. Das ist nicht nur durch Personalabbau und neue Büroräume zu erreichen.

Strauß: Wir haben verschiedene Dimensionen, um dieses Ziel zu erreichen. Es geht um eine Verringerung von Kosten der Infrastruktur durch die Zusammenlegung. Es wird Kapazitätsanpassungen geben, die zu geringeren Kosten führen. Manche Einsparungen sind leicht zu erklären: Wenn wir die Banken zusammengelegt haben, beschäftigten wir künftig nur noch externe Wirtschaftsprüfer für eine statt zwei Bilanzen. Und es gibt zahllose weitere Beispiele. Aber nicht zuletzt: Wir wollen auch höhere Erträge erzielen.

Sie haben betont, dass Sie sich bei der Integration Zeit lassen wollen. Jetzt werden aber offenbar Großaktionäre der Deutschen Bank ungeduldig und wollen schnellere Ergebnisse sehen.

Strauß: Auf der Investorenseite ist das Grundfeedback zur Strategie positiv und wir erfahren Unterstützung. Von uns erwartet man, dass wir die beschlossene Strategie kontinuierlich und zügig umsetzen. In beiden Banken haben wir ja ein profitables Kundengeschäft – auch wenn wir uns hier natürlich noch verbessern können. Was wir in beiden Banken in den letzten drei Jahren im Privat- und Firmenkundengeschäft geschafft haben, verleiht uns Glaubwürdigkeit für unsere künftigen Pläne.

Die Postbank wird also konzernintern als erfolgreiche Einheit wahrgenommen?

Strauß: Die Strategie beinhaltet die klare Botschaft an die Postbank-Mitarbeiter, dass die Organisation ihre Stärken einbringen kann. Es ist ein klares Signal, dass wir es gemeinsam miteinander hinkriegen wollen.

In welcher Stadt wird künftig Ihr Arbeitsschwerpunkt sein?

Strauß: Ich werde mein Hauptbüro hier in Bonn haben und ein weiteres in Frankfurt, und meine Reisezeit wird sich wieder erhöhen. Aber 50 Prozent meiner Arbeitszeit bin ich sowieso außerhalb meines Büros, zum Beispiel bei Kundenbesuchen.

Wie sieht Ihre Prognose für die Zinsentwicklung aus?

Strauß: Wir stellen uns auf langfristig niedrige Zinsen ein. Die attraktivsten Geldanlagen bleiben reale Assets, also Immobilien und Aktien von Unternehmen. Deshalb haben wir auch das Wertpapiergeschäft neu aufgestellt. Es war eine goldrichtige Entscheidung, das Wertpapiergeschäft aus den Filialen herauszunehmen und in den Vertriebszentren zu konzentrieren. Außerdem war es eine wichtige und richtige Entscheidung, dass wir uns vom kostenlosen Girokonto weitgehend verabschiedet haben. So kommen wir zu einem ordentlichen Ergebnisbeitrag und wachsen auch wieder. Das Geschäft funktioniert: In Bonn und Umgebung beispielsweise haben wir unter allen Banken einen Marktanteil von rund 20 Prozent.

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