Rhein-Ruhr-Express im Härtetest Der Rhein-Ruhr-Express fährt ab 2018

WEGBERG · Der Zug soll ab Ende nächsten Jahres Köln, Düsseldorf und das Ruhrgebiet im 15-Minuten-Takt verbinden. Für die insgesamt 82 Züge baut Siemens in Dortmund eine eigene Werkstatt.

Nach fünf Runden auf dem Siemens-Testkurs für Schienenfahrzeuge verläßt Martin Husmann das Cockpit des Rhein-Ruhr-Expresses (RRX) nur zögerlich. Dem Vorstandschef des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr hat es dort gut gefallen, vier Runden lang durfte er gestern an den Schalthebeln sitzen. Bis auf Tempo 126 hat er den Zug beschleunigt. „Das ging sehr flott und wunderbar ruhig“, schwärmte er. Der sonst vorwiegend an guten Fahrgastzahlen und Einnahmen interessierte Manager freute sich auch über den sparsamen Umgang mit Energie: „Wenn nicht die volle Leistung benötigt wird, schaltet der Zug die Hälfte der Motoren ab.“

Das eigentlich Besondere am RRX ist ebenso unsichtbar wie diese Technik: Zum einen werden die Züge mit kostengünstigen Kommunalkrediten finanziert, weil der Verkehrsverbund VRR als Käufer auftritt, und – wichtiger noch – erstmals bei einem Projekt dieser Größenordnung in Deutschland übernimmt der Hersteller der Fahrzeuge für deren theoretische Lebensdauer von 32 Jahren die Instandhaltung. Siemens baut für die 82 Züge in Dortmund eine eigene Werkstatt und garantiert, dass die RRX-Flotte praktisch jederzeit vollständig einsatzbereit ist.

Reifeprozess nimmt Zeit in Anspruch

Die Fahrgäste fühlten sich auf der Testfahrt gut aufgehoben in den zwar straff gepolsterten, aber bequemen hohen Sitzen, bei ausreichender Beinfreiheit auch in der zweiten Klasse. LED-Leselämpchen und Steckdosen zwischen den Sitzen lassen den Traum vom angenehmen Reisen zu. Die Fenster lassen Funkwellen besser passieren, der Mobilfunkempfang wird besser als bei anderen Zügen. Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn lobt zudem die Konstruktion der doppelstöckigen Mittelwagen (jeder RRX besteht aus zwei einstöckigen Endwagen und zwei Doppelstöckern). Der Zugang aus dem Einstiegsbereich in die untere Etage verzichtet auf Stufen, ist kaum spürbar abgesenkt. Der Experte sieht darin eine Chance, beim Ein- und Aussteigen Zeit zu sparen. Wer größer als 1,85 Meter ist, muss sich freilich in den Doppelstockwagen mit Vorsicht bewegen.

Zu den unsichtbaren Besonderheiten der Züge für das vermutlich wichtigste Infrastrukturprojekt NRWs gehört deren ausgiebige Erprobung. Sie sollen ausgereift an den Käufer übergeben werden. Für den Reifeprozess nehmen sich die Beteiligten mehr als ein Jahr Zeit.

Siemens hat die ersten sieben RRX produziert, im unternehmenseigenen „Prüf- und Validationscenter“ in Wegberg-Wildenrath werden die aus den Siemens-Werken Krefeld und Wien stammenden Zugteile zusammengefügt. Dann absolvieren die sieben Prototypen Abnahmeprüfungen und zig Tausende Testkilometer. Es geht darum, kleine und große Macken aufzuspüren. Auf der gestrigen Testfahrt bei regnerischem Wetter drang Wasser aus einer Fensterdichtung ein. Darauf aufmerksam gemacht, deutete einer der mitfahrenden Siemens-Mechaniker auf ein rot-weißes Klebeschild mit der Nummer „605“ – heißt: „Fehler wird abgestellt.“

Züge müssen auch zu Tests ins Ausland

Die Züge müssen auch zu Tests in Ausland. Auf dem Versuchsring im tschechischen Velim sind Geschwindigkeiten bis 210 Stundenkilometer möglich, hier kann der RRX – anders als in Wildenrath – seine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h fahren. Außerdem müssen die Züge in Wien in der Klimakammer Hitze- und Kälte-Tests bestehen.

Wegen der gründlichen Erprobung erwartet der VRR-Chef den ersten Einsatz „seiner“ Züge mit zahlenden Fahrgästen frühestens im Herbst 2018. Das Jahrhundertprojekt RRX in Gänze – 15-Minuten-Takt zwischen Köln und Dortmund, eingebunden in ein Netz neuer schneller Verbindungen in (fast) alle Winkel von NRW – das wird wohl erst im Jahrzehnt darauf vollendet sein. Denn von den dazu notwendigen neuen Gleisen ist noch keines gelegt.

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