Online-Handel eröffnet stationäre Geschäfte Das weltweite Netz ist nicht genug

Düsseldorf/Bonn · Immer mehr Internethändler ziehen in die Innenstädte. Auch in Bonn und der Region macht sich der Trend bemerkbar.

 Immer mehr Online-Shops wie Mymuesli eröffnen stationäre Läden in deutschen Innenstädten.

Immer mehr Online-Shops wie Mymuesli eröffnen stationäre Läden in deutschen Innenstädten.

Foto: picture alliance / dpa

Der Online-Handel galt lange Zeit als Totengräber des klassischen Einzelhandels. Doch inzwischen eröffnen immer mehr Internetanbieter wie Mymuesli, Notebooksbilliger oder Fashion For Home selbst stationäre Geschäfte – oder verkaufen ihre Produkte über etablierte Fachgeschäfte und Supermarktketten. Denn die totgesagte Welt des Offline-Handels hat auch für sie Vorteile.

Beispiel Chocri: „Der Schritt in den stationären Süßwaren-Fachhandel war mehr als richtig. Er war für uns ein absoluter Glücksgriff“, meint Michael Bruck, Geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Schokoladenmanufaktur. Gegründet wurde Chocri 2008 als Onlineshop. Er bietet Kunden auf seiner Website die Möglichkeit, aus mehr als 80 Zutaten ihre eigene Schokolade zu kreieren.

Mit dieser Idee ist das Unternehmen nach eigenen Angaben zu Deutschlands größter Online-Confiserie geworden. Doch inzwischen gibt es die Produkte der Berliner auch schon in über 300 Süßwaren-Fachgeschäften. Geht es nach Bruck, sollen es in zwölf Monaten schon 500 Verkaufsstellen sein.

„Das Geschäft über die traditionelle Ladentheke hat sich bei uns schnell und robust als drittes Standbein etabliert“, betont er. Noch mache man zwar deutlich mehr Volumen mit dem Online-Geschäft für Privat- und Geschäftskunden, aber die Wachstumschancen im stationären Handel seien noch lange nicht ausgereizt.

Chocri ist mit dem Schritt vom Online-Handel zum Offline-Handel nicht allein. Nach einer Marktanalyse des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI betreibt schon heute jeder zweite der 1000 größten Onlineshops auch stationäre Geschäfte. Und es ist vielleicht auch eine vernünftige Überlebensstrategie. Gehen doch Handelsexperten wie Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung (IFH) davon aus, dass in den nächsten Jahren 90 Prozent der reinen Online-Händler wieder vom Markt verschwinden werden, weil sie den Platzhirschen wie Amazon nicht gewachsen sind.

Zu den ersten, die den Schritt in die Offline-Welt wagten, gehörte Mymuesli. Der 2007 gegründete Versender von individuell zusammengestellten Müslis eröffnete bereits 2009 neben dem Online-Standbein das erste traditionelle Geschäft.

Auch in den Supermärkten von Edeka, Rewe und Co. stehen die Produkte der Online-Pioniere längst in den Regalen. Inzwischen betreibt das Unternehmen 36 Mymuesli-Läden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch in Bonn hat Mymuesli bereits eine Filiale eröffnet.

„Bei der Bewegung vom Online- zum Offline-Markt handelt es sich um einen allgemeinen Trend, den wir natürlich auch bei uns beobachten können“, sagt Uwe Stephan, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Bonn Rhein-Sieg Euskirchen. „Offenbar erkennen immer mehr Online-Anbieter, wie wichtig es den Kunden ist, Produkte zu sehen, anzufassen und auszuprobieren.“

Für die Einzelhändler in der Region dürfte die Entwicklung mehr Konkurrenz bedeuten – „aber das ist ja bekanntlich Grundlage unserer Wirtschaft“, so Stephan. Zudem erhofft er sich, dass weitere stationäre Ableger von Onlineshops das oftmals uniforme Angebot in den Innenstädten bunter machen.

Auch Elektronikversender wie Cyberport und Notebooksbilliger haben längst den Reiz stationärer Geschäfte erkannt. Cyberport betreibt neben seinem Online-Geschäft auch 15 ganz normale Läden. Über die Stores erreiche man die Kunden besser, die noch Beratung suchten oder unentschlossen seien, begründet das Unternehmen die Offline-Offensive.

Der Online-Möbelshop Fashion For Home bietet seinen Kunden inzwischen die Möglichkeit, in sechs Showrooms die Möbelstücke auf Herz und Nieren zu prüfen. Dies habe sich als „absolute Erfolgsidee“ erwiesen, heißt es im Unternehmen. Und der Trend gewinnt an Fahrt: Glaubt man den jüngsten Gerüchten aus den USA, erwägt selbst der Onlinegigant Amazon neben seinem ersten stationären Buchladen in Seattle weitere Läden zu eröffnen.

Bedeutet die wachsende Lust der Online-Händler auf Engagements in der realen Ladenwelt Entwarnung für die klassischen Händler? Im Gegenteil, meint Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Der Druck auf die etablierten Händler könne dadurch sogar größer werden. „Ich glaube, die Online-Anbieter werden den stationären Handel neu erfinden: Sehr viel effizienter, verknüpft mit digitaler Technik“, sagt er. „Der etablierte Handel wird hier noch einige Überraschungen erleben.“

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