Interview mit Bonner Testamentvollstrecker Das Erbe friedlich abwickeln

Bonn · Der Tod eines Angehörigen führt häufig zu Konflikten zwischen Familienmitgliedern. Selbst dann, wenn ein Testament vorliegt. Hat der Erblasser aber zuvor einen Testamentvollstrecker bestimmt, kann eine friedvolle Erbabwicklung gelingen.

Eberhard Rott ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Testamentvollstreckung und Vermögensvorsorge (AGT). Mit ihm hat Kristina Wollseifen darüber gesprochen, was, bei einer Erbabwicklung beachtet werden muss.

Warum ist der Einsatz eines Testamentvollstreckers ratsam?
Eberhard Rott: Familien- und Vermögensstrukturen werden immer komplexer: Es gibt heutzutage viel mehr Patchwork-Familien als früher. Das Vermögen eines Verstorbenen liegt nicht mehr nur in Form von Geld auf dem Bankkonto, sondern steckt auch in Aktien oder Immobilien. Auch die steuerlichen Verstrickungen sind heute komplizierter als früher. Außerdem sollen bedürftige Angehörige versorgt oder gemeinnützige Organisationen bedacht werden. Manchmal muss auch ein geeigneter Unternehmensnachfolger gefunden werden.

Ein Testamentvollstrecker hilft den Hinterbliebenen also dabei, den Überblick zu behalten?
Rott: Nicht nur das, er verwaltet das gesamte Erbe des Verstorbenen und setzt so dessen Wünsche aus dem Testament um. Der Testamentvollstrecker ist nur an die Anweisungen des Erblassers und nicht an Forderungen der Erben gebunden.

Welche Anweisungen kann man denn als Erblasser dem Testamentvollstrecker geben?
Rott: Jede Menge – angefangen damit, ob der Testamentvollstrecker nur einen Teil des Erbes, wie eine Immobilie oder das gesamte Vermögen, verwalten soll. Ein Beispiel: Wenn der Erblasser es wünscht, dass ein Haus, das er besitzt, verkauft und dessen Wert unter den Erben aufgeteilt werden soll, dann erledigt er das. Oder auch Folgendes: Wenn im Testament steht, dass das Erbe einer bestimmten Person nur in jährlichen Raten ausgezahlt werden soll, dann kümmert er sich auch darum.

Dadurch hat ein Testamentvollstrecker aber eine machtvolle Position inne.
Rott: Ja, das stimmt. Deshalb ist es auch so wichtig, dass der Testamentsvollstrecker sein Geschäft beherrscht. Wenn er den Eindruck erweckt, willkürlich oder unfair zu handeln, dann führt das zu Misstrauen und Konflikten zwischen allen Beteiligten. Ein Testamentvollstrecker sollte zu Beginn seines Amtes immer zügig ein präzises Nachlassverzeichnis aufstellen und den Erben regelmäßig über den Stand der Dinge berichten.

Wie findet man denn einen guten Testamentvollstrecker?
Rott: Das ist gar nicht so einfach, denn seit 2004 darf jeder Bürger, der volljährig ist, diese Rolle ausüben. Davor war das nur Anwälten und Notaren erlaubt. Der AGT hat deshalb ein Ausbildungsprogramm entwickelt, dessen Absolventen am Ende als zertifizierte Testamentvollstrecker auf der AGT-Webseite gelistet werden. Das sind alles Menschen, die durch ihren Beruf als Anwalt, Steuerberater, Bänker oder ähnlichem schon viel Fachwissen und Praxiserfahrungen mitbringen. Durch eine AGT-Zertifizierung weisen Sie nach, dass sie ihr Handwerkszeug gelernt haben und sich laufend fortbilden.

Aber theoretisch kann ein Erblasser auch eines seiner Kinder mit dieser Aufgabe beauftragen?
Rott: Ja, das ist richtig. Ich rate davon aber ab, weil damit Streitereien zwischen den Hinterbliebenen oft schon vorprogrammiert sind. Das Machtgefälle zwischen ihnen wird größer und Beziehungen werden durcheinander gewirbelt.

Sie würden also immer zu einer neutralen Person raten. Was sollte man noch bei der Wahl eines Testamentvollstreckers beachten?
Rott: Die Person muss auf jeden Fall eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden abgeschlossen haben. Es kann ja durchaus passieren, dass ein Erbteil aus Versehen an eine unberechtigte Person gelangt, eine steuerliche Frage falsch beurteilt wird oder der Testamentvollstrecker mehr Kosten als nötig verursacht. Er haftet dann persönlich mit seinem Privatvermögen. Mit solch einer Police sind er und damit letztendlich auch die Erben abgesichert.

Und worauf sollte man auf der zwischenmenschlichen Ebene achten?
Rott: Ganz wichtig: Er oder sie sollte so ticken, wie man selber tickt. Das schafft Vertrauen. Die Person verwaltet das Vermögen nach dem eigenen Tod – da muss man einfach auf einer Linie sein. Bei einem ersten Treffen merkt man das schnell. Generell gilt auch: Eine gute Testamentvollstreckung beginnt schon vor dem Tod. Erblasser und Testamentvollstrecker sollten das Testament besprechen, letzterer sollte sich auch selber einbringen und beispielsweise kritisieren, wenn ein Wunsch schwierig umzusetzen ist.

Die Rolle des Testamentvollstreckers ist also mit vielen Freiheiten verbunden. Wo findet diese ihre Grenzen?
Rott: Ein Testamentvollstrecker darf nichts aus dem Nachlass verschenken. Auch darf er die Erbabwicklung nicht unnötig verzögern oder sich selber aus dem Erbe bereichern.

Wie wird ein Testamentvollstrecker überhaupt entlohnt?
Rott: Das hängt davon ab, was der Erblasser mit ihm vereinbart hat. Manche vergüten die Arbeit mit einem Erbanteil, andere vereinbaren, dass über einen Stundensatz abgerechnet werden soll. Wenn der Erblasser dazu nichts in seinem Testament festgelegt hat, greift das Gesetz. Der Testamentsvollstrecker erhält dann eine Vergütung aus dem Nachlass, die sich nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins richten kann.

Die variieren doch sicherlich sehr.
Rott: Ja, genau. Ein Beispiel: Bei einem Nachlass im Wert von 250 000 Euro sollen davon vier Prozent an den Testamentvollstrecker ausbezahlt werden. Wenn die Aufgabe eher leicht oder schwer auszuführen ist, beeinflusst das auch die Höhe des Lohns. Je höher der Wert des Nachlasses, desto weiter sinkt der prozentuale Anteil.

Sollte der Erblasser seine Angehörigen denn von dem Einsatz eines Testamentvollstreckers informieren?
Rott: Ja, das ist sehr wichtig, damit sich niemand übergangen fühlt. Es ist sowieso schon bei der Testamenterstellung sinnvoll, das nicht mit sich im stillen Kämmerlein auszumachen. Wenn Jung und Alt miteinander reden, kann die ältere Generation beispielsweise merken, dass keines der Kinder das Ferienhaus in Frankreich erben will. Das eröffnet schon lebzeitig ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten.
Auch wird damit die Verwaltung des Nachlasses den Testamentvollstrecker einfacher und sein Verhältnis zu den Erben entspannter.

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