Weck-Gläser, Leica-Kameras oder Birkenstock-Sandalen Das Comeback der Traditionsmarken

BERLIN/BONN · Kaum eine Hochzeit kommt um Desserts in kleinen Einmachgläsern herum. In deutschen Großstädten baumeln Leica-Kameras an Hälsen von Touristen. Und die Birkenstock-Sandale erlebt einen neuen Boom. Auf einmal sind Marken beliebt, die schon bei Eltern und Großeltern angesagt waren. Warum ist das so?

Birkenstock: Mit Latsche auf den Laufsteg

Lange war Birkenstock in Deutschland als Ökolatsche verpönt. Dies änderte sich spätestens, als Céline-Designerin Phoebe Philo dem deutschen Schuhhersteller international zu Glamour verhalf. Bei der Vorstellung einer neuen Kollektion in Paris ließ sie Models in Birkenstock über den Laufsteg gehen - was global für Aufsehen sorgte: Seither haben sich die Google-Suchanfragen nach Birkenstock fast verdreifacht.

Rund 17,4 Millionen Paare verkaufte das Unternehmen mit Sitz in Neustadt/Wied (Rheinland-Pfalz) und Outlet in Bad Honnef im vergangenen Geschäftsjahr. Fast die Hälfte des Umsatzes wurde in Ländern außerhalb Europas, etwa ein Drittel in Deutschland gemacht. Der Umsatz stieg um 22 Prozent auf 333,5 Millionen Euro.

"Alte Marken sind nur erfolgreich, wenn sie zeitgemäß wirken. Die Leute wollen keine Produkte der Vergangenheit kaufen. Birkenstock steht für Gesundheit, Ökologie, präsentiert diese Werte aber in einem modernen Look", erklärt Professor Martin Fassnacht, Inhaber des BWL-Lehrstuhls der Otto Beisheim School of Management. Inzwischen reicht das Sortiment neben dem Klassiker mit breiten Schnallen zu Modellen mit Silberschnallen oder Kunststoff.

Leica: Vom Dinosaurier zum Statussymbol

Der Erfolg von Birkenstock zeige: "Retro" müsse einhergehen mit dem Willen zur Weiterentwicklung, sagt Anneke Neuhaus von der Frankfurt University of Applied Sciences. Das Vertrauen zu einer Marke könne dauerhaft nur gehalten werden, wenn Innovationen nicht vernachlässigt werden. Diese Kehrtwende hatte Leica gerade noch geschafft. Vor zehn Jahren stand der Kamerahersteller aus Wetzlar (Hessen) mit dem Rücken zur Wand. Das Unternehmen hatte Ende der 90er Jahre den Einstieg in die Digitalfotografie verpasst.

Anfang der 2000er war Leica finanziell angezählt. Dabei war sich Vorstandschef Hanns-Peter Cohn 2004 sicher: "Die Digitaltechnik ist nur ein Intermezzo." Er lag falsch. Leica geriet in Existenznöte: Millionenverluste, Sparkurs, Hunderte verloren ihren Job. "Das Pro-blem war nicht, dass die Innovationen fehlten - sondern dass Leica damit nicht immer etwas anzufangen wusste", schreibt das Wirtschaftsmagazin "Capital".

Nach einer Kapitalerhöhung kam das Unternehmen 2010 zurück in die Erfolgsspur: Es schaffte mit der M-Serie den Sprung ins digitale Zeitalter, entwickelte neue Modelle, alle fanden reißenden Absatz. Zuletzt verkündete Leica ein Rekordumsatz von 365 Millionen Euro für das vergangene Jahr - das Zweieinhalbfache im Vergleich zum Umsatz Mitte der 2000er.

Wer mit Leica fotografiert, trägt ein Statussymbol um den Hals - mit dem Wert eines Kleinwagens. "Vor allem Retro-Marken bestechen mit ihrer Einfachheit: das Produkt scheint mir vertraut, auch ohne weitere Erklärungen", sagt Anneke Neuhaus.

Weck-Gläser: Die Sehnsucht nach vertrauten Marken

Rund 40 Millionen Euro hat der Hersteller der Weck-Gläser mit Sitz in Wehr (Baden-Württemberg) im vergangenen Jahr umgesetzt. Den Großteil seiner Geschäfte macht Weck heute mit der Herstellung von Gefäßen für das Gewerbe und die Gastronomie - unter anderem in Bonn-Duisdorf. Nur zehn bis 20 Prozent würden mit Einmachgläsern umgesetzt - als "Einwecken" wird es von vielen automatisch mit der Marke in Verbindung gebracht.

"Die Welt ist unübersichtlicher geworden. Je größer die Unsicherheiten, desto mehr orientieren sich Menschen an Vertrautem. Traditionsmarken geben Orientierung und Sicherheit", sagt Neuhaus. "Irgendwann schaut man sich als Erwachsener wieder Marken an, die aus der Kindheit vertraut sind, selbst wenn man sich früher über sie lustig gemacht hat." (dpa/ga)

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