Erste Flusskreuzer legen Ende Juni ab Reiseveranstalter in Bonn planen Neustart nach der Pandemie

Bonn · Die Bonner Reiseveranstalter sind von der Corona-Krise gebeutelt und planen ihr Comeback. Phoenix Reisen beispielsweise möchte ab Ende Juni wieder Flusskreuzfahrten anbieten. Von der Politik fühlen sich die Unternehmen unverstanden.

 Die „Amadea“ des Bonner Unternehmens Phoenix Reisen in Sydney.

Die „Amadea“ des Bonner Unternehmens Phoenix Reisen in Sydney.

Foto: picture alliance / dpa-tmn/Phoenix Reisen

Den Rhein kann Benjamin Krumpen durch sein großes Panoramafenster im Bürogebäude in der Pfälzer Straße nur noch erahnen. Das Grün der Bäume am Ufer versperrt die Sicht. Trotzdem hat der Geschäftsführer von Phoenix Reisen nun den Neustart der Flusskreuzfahrten fest im Blick. Am 26. Juni sollen die ersten Schiffe ihre Leinen lösen – mit maximal 75 Prozent Belegung und ohne Buffets. „Wir werden stattdessen den Room Service deutlich ausweiten“, erklärt Krumpen, der schon im Juli auch wieder Gäste über die Donau und die Flüsse von Benelux schippern möchte. „Langsam sehen Sie uns wieder mit einem Lächeln“, sagt er.

Wie bei Phoenix planen auch alle anderen Bonner Reiseveranstalter derzeit ihren Neustart nach der Pandemie. Von der Politik in Berlin fühlen sich die klein- und mittelständischen Unternehmen durchweg im Stich gelassen. „In der Regierung hat niemand überhaupt verstanden, wie Tourismus funktioniert“, glaubt stellvertretend für seine Kollegen Stefan Ohligschläger, Inhaber der beiden Anbieter Bavaria Fernreisen und Fit & Vital Reisen mit zusammen rund 50 Beschäftigen in Bonn. So hätten die Veranstalter ebenso wie die Reisebüros nun ein Vierteljahr lang keinerlei Einnahmen generiert, anders als andere Branchen aber nur begrenzt auf Kurzarbeit zurückgreifen können. Tausende Buchungen mussten schließlich abgesagt und geleistete Zahlungen abgewickelt werden.

Mehr als 70.000 Kunden waren allein bei Phoenix bislang betroffen. Rund 5000 Kunden habe Bavaria Fernreisen, das vor 35 Jahren in Aschaffenburg gegründet wurde, ohne Hilfe des Bundes aus seinem Hauptzielländern Indien, Thailand und Vietnam zurückgeholt. China-Reisen habe man dank langjähriger Kontakte vor Ort schon zu Jahresanfang langfristig abgesagt. „Dass etwas in Wuhan nicht stimmte, wussten wir schon im November“, sagt Ohligschläger.

Der in Asien und Afrika aktive Wanderspezialist Via Verde Reisen einen Kredit der KfW erhalten. „Allerdings wird uns das über viele Jahre finanziell stark belasten, ohne dass wir die Verluste wieder aufholen könnten“, fürchtet Inhaberin Birgit Heinichen. Trotzdem hat sie ihre Reiseleiter vor Ort finanziell unterstützt. Beispielsweise sollten sie Wanderrouten kartieren, um den Kunden vorab noch genauere Informationen geben zu können.

Zu mangelnder finanzieller Hilfe kommen die immer wieder kurzfristigen Entscheidungen von Bund und Ländern. „Wir brauchen mindestens vier Wochen um die umzusetzen“, erklärt Ralf Poppen vom Kulturreise-Veranstalter Via dell Arte. Weil auch eine Woche vor dem Auslaufen der weltweiten Reisewarnung für den EU-Raum sowie die Schweiz, Norwegen und Island noch immer nicht klar ist, wie der Tourismus in Europa wirklich wieder in Gang kommen soll, hat Poppen für sein Unternehmen zunächst vier neue Deutschland-Reisen ins Programm genommen. Eine Reise auf den Spuren der Hanse soll Mitte Juli den Anfang machen. „Nach einem ersten Mailing gab es gleich mehrere Dutzend Anmeldungen“, freut sich Poppen. Fernreisen mit dem Flugzeug kann Poppen sich derzeit nicht vorstellen. So lange die Airlines nur auf Mundschutz statt freier Mittelsitze setzten, werde man auf Bus und Bahn ausweichen.

Für Fernreisen sieht es 2020 schwierig aus. „Bei Berichten aus Indien oder Brasilien kommt ja auch keine Urlaubsstimmung auf“, findet Ohligschläger. Sein Fernreise-Team hat er gewissermaßen in den Sommerschlaf geschickt. Die Kurangebote von Fit und Vital in Deutschland würden stark nachgefragt. „Vielen hat der Lockdown emotional stark zugesetzt. Die wollen raus ans Meer oder ins bayrische Bäderdreieck – aber so, dass man auch schnell wieder zuhause ist“, sagt er. Drei bis fünf Stunden Autoanreise würden die meisten Kunden in Kauf nehmen.

Wann die fünf in Emden geparkten Hochseeschiffe im Auftrag von Phoenix wieder ablegen, steht in den Sternen. Bis Ende Juli wurden alle Reisen abgesagt. Das geplante Herbstprogramm sei wohl nicht durchführbar, glaubt Krumpen. Kanada will bis mindestens Ende Oktober seine Grenzen geschlossen halten, die Seychellen sogar 2021 kein Schiff empfangen. Dennoch hielten viele Stammgäste dem Unternehmen die Treue: Im Hochseebereich liege die Quote der Umbucher bei 47 Prozent. Ob man wie der deutsche Branchen-Primus Tui mit Kreuzfahrten ins Nirgendwo ab Deutschland starten werde, sei noch unklar. Zunächst müssten die Crews von den Philippinen und aus Indonesien zurück an Bord, die Phoenix im April mit seinen Schiffen in die Heimat gebracht hatte. Ohne Flugverbindungen und bei einem sehr begrenzten Angebot wird sich das womöglich in nächster Zeit nicht rechnen.

Am Montag kann Phoenix-Chef Krumpen immerhin das erste Kapitel der Corona-Krise abschließen. Dann empfängt er in Bremerhaven die MS Artania. Mit an Bord: die letzten acht Passagiere, die aus medizinischen Gründen nicht fliegen können oder dürfen. Sie haben in extragroßen Kabinen ihre Weltreise um mehrere Monate verlängert und sind nach der Quarantäne im australischen Perth und Abstechern nach Indonesien und zu den Philippinen nun endlich auf dem Weg in die Heimat.

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