Wettbewerb in der Internetwirtschaft Bundeskartellamt sucht nach Spielregeln

BONN · Kartellamt 4.0: Der rasante Trend zur Digitalisierung der Wirtschaft führt auch beim Bundeskartellamt dazu, dass die Maßstäbe verrutschen.

 Machtfragen: Google und Co. stellen die Wettbewerbsbehörden weltweit vor neue Herausforderungen.

Machtfragen: Google und Co. stellen die Wettbewerbsbehörden weltweit vor neue Herausforderungen.

Foto: dpa

"In der Netzwerkwirtschaft wird es immer den Trend zu großen Plattformen geben", sagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, gestern bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2013/14. Je mehr Nutzer eine Plattform hat, um so attraktiver wird das Angebot, das wiederum neue Nutzer anzieht. Google und Facebook lassen grüßen.

Vor diesem Hintergrund erlaubte das Bundeskartellamt im April den Zusammenschluss der Immobilienportale Immowelt und Immonet, die jeweils über einen Marktanteil von 15 Prozent verfügten. Platzhirsch ImmobilienScout24 hat nach Mundts Angaben 50 Prozent des Marktes inne.

"Ich weiß nicht, ob wir diese Entscheidung in der harten Wirtschaft so getroffen hätten", sagte Mundt. Mit harter Wirtschaft meint er traditionelle Unternehmen, die produzieren und Dienstleistungen anbieten. Bei den Immobilienplattformen sei es aber sinnvoll, dass ein zweiter großer Wettbewerber den Markt offenhalte.

Den Markt für den Wettbewerb offenhalten - ein Credo von Mundt, der mit den anderen Kartellbehörden weltweit vor dem Problem steht, dass die Dynamik der Internetwirtschaft kaum erfasst werden könne. "Daten sind die neue Währung" sei mittlerweile ein Allgemeinplatz, aber zu welchen wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen dies führe, müsse diskutiert werden. "Es sind neue Fragen, auf die es noch wenig Antworten gibt", so Mundt.

In der Fallpraxis komme den digitalen Märkten eine immer größere Bedeutung zu. Dabei spielten die Rahmenbedingungen von Hotelbuchungsplattformen und die Internet-Vertriebsbedingungen von Markenherstellern eine herausgehobene Rolle.

Das Bundeskartellamt hat in den vergangenen beiden Jahren 20 Kartellverfahren abgeschlossen und eine so hohe Bußgeldsumme verhängt wie noch nie: 1,36 Milliarden Euro Bußgelder gegen 137 Unternehmen und 133 Privatpersonen.

"Eine wirksame Kartellverfolgung ist jedoch nur möglich, wenn die verhängten Bußgelder auch effektiv durchgesetzt werden können", betonte Mundt. Es müsse sichergestellt sein, dass sich Unternehmen nicht durch geschickte Umstrukturierungen nachträglich ihrer Bußgeldhaftung entziehen können.

Damit spielte Mundt besonders auf den Fleischwaren-Multi Clemens Tönnies an. Einem vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten Gesetzentwurf, der diese Lücke schließen soll, begrüßte Mundt. "Mehrere aktuelle Fälle zeigen, dass es immer noch Regelungslücken gibt, die dringend geschlossen werden müssen." Insgesamt gehe es um Hunderte Millionen Euro, die nicht als Strafen vollstreckt werden könnten.

In der Fusionskontrolle bewegt sich die Zahl der angemeldeten Zusammenschlüsse seit einigen Jahren auf einem stabilen Niveau. 2013 wurden 1091 Vorhaben und 2014 1188 Vorhaben kontrolliert. Im Frühjahr hat das Kartellamt mit der geplanten Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka ein Fusionsvorhaben untersagt. Die Unternehmen haben danach einen Antrag auf Ministererlaubnis gestellt.

Das Bundeswirtschaftsministerium prüft, ob die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen oder einem überragenden Interesse der Allgemeinheit aufgewogen wird. Eines betonte Mundt: Sollte die Ministererlaubnis erteilt werden, solle das nicht als Niederlage für das Kartellamt gewertet werden. Denn das Wirtschaftsministerium müsse nach anderen Kriterien urteilen.

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