Ärger um befristete Arbeitsverträge Bund will sich bei Post einmischen

Bonn/Berlin · Auf scharfe Kritik stößt die Regel der Post, Zusteller nur bei wenigen Fehltagen fest zu übernehmen. Dabei ist das Vorgehen legal – und der Staat handelt ähnlich.

Arbeiten oft nur befristet: Ein Paketbote der Post schiebt eine Sackkarre mit Paketen über Straße.

Arbeiten oft nur befristet: Ein Paketbote der Post schiebt eine Sackkarre mit Paketen über Straße.

Foto: picture alliance / Malte Christi

Ungewöhnlich scharf hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Praxis der Deutschen Post kritisiert, dass die Leiter von Niederlassungen des Konzerns Verträge für Zusteller nur eigenständig entfristen dürfen, wenn diese in den zwei Jahren davor nicht mehr als 20 Fehltage hatten. Das sei „nicht hinnehmbar“, sagte er in der Talkshow „Anne Will“. Er sei nicht akzeptabel, „dass innerhalb der Post als einem Konzern mit indirekter Beteiligung des Bundes Arbeitnehmer, wenn sie zu oft krank seien oder zu langsam arbeiteten, Probleme mit unbefristeten Arbeitsverträgen bekämen, sagte er und ergänzte: „Diejenigen, die für uns im Aufsichtsrat sitzen, haben sich schon vorgenommen, (...) darauf zu reagieren.“ Der Bund werde bei der Post jedenfalls den Einfluss nutzen, den er habe.

Nichts von dieser Kritik an der Post hält die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Die Praxis der Post entspricht vollständig Recht und Gesetz.“ Der BDA bezeichnet es als „befremdlich“ wenn ausgerechnet der Staat auf eine weniger harte Einstellungspraxis dränge. Denn er selber übernehme nur „nachweislich gesundheitlich geeignete Bewerber“ in das Beamtenverhältnis.

Darf ein Unternehmen häufig kranke Beschäftigte gezielt nicht übernehmen?

„Ja, es gibt im Arbeitsrecht keinen Kontrahierungszwang“, sagt der Arbeitsrechtler Jacob Joussen, Professor an der Ruhruniversität Bochum. Er weist daraufhin, dass es allerdings als Diskriminierung bewertet werden könnte, wenn ein Beschäftigter einen Vertrag wegen einer Behinderung oder chronischen Krankheit nicht erhält. „Aber auch dann gibt es keinen Anspruch auf einen Arbeitsvertrag, sondern nur auf eine denkbare Entschädigung.“

Sortiert die Post schwächere Arbeitnehmer pauschal aus?

Der Konzern bestreitet das: Die Regelung schließe nicht aus, auch Arbeitnehmer mit mehr Fehltagen als 20 in zwei Jahren zu übernehmen. „Es kommt auf die Umstände an“, sagt ein Sprecher. Die Post habe in Absprache mit der Gewerkschaft Verdi 2017 rund 9000 Arbeitsverhältnisse entfristet, mit den dafür gültigen Regeln ist Verdi nicht einverstanden: „Wir halten nichts von pauschalen Kriterien zur Beurteilung von Betroffenen“, sagt Andrea Kocsis, stellvertretende Bundesvorsitzende von Verdi. Um den Druck von den Beschäftigen zu nehmen, solle die Regierung sachgrundlose Befristungen bei Arbeitsverhältnissen verbieten – dann könnten Zeitverträge für Vertretungsaufgaben oder Projekte vereinbart werden, aber man könnte nicht pauschal Tausende Beschäftigte als Zeitarbeiter anheuern.

Dürfen Beschäftigte mit festem Arbeitsvertrag unbegrenzt krank sein?

„Nein, auch eine gravierende Krankheit kann zu einer Kündigung führen“, sagt Jurist Joussen. Zwar sei es kein Trennungsgrund, wenn ein Arbeitnehmer einmalig mehrere Wochen krank ist oder auch mehrfach ausfällt, aber ab einer gewissen Häufung kann es eng werden. „Bei Langzeiterkrankungen oder bei sehr häufigen kurzfristigen Erkrankungen sind Kündigungen möglich. Die Begründung hängt dann mit der Prognose zusammen: Irgendwann kann es als unzumutbar angesehen werden, dass ein Arbeitsplatz nicht neu besetzt werden kann, obwohl der Beschäftigte laufend ausfällt.“

Ist die Post ein Einzelfall?

Verdi ist kein Konzern bekannt, der eine ähnliche Vorgabe für ausgefallene Tage hat wie der gelbe Riese, doch es scheint sicher, dass viele Unternehmen Zeitverträge als eine Art Probezeit nutzen. Joussen sagt: „Eine solche Praxis erscheint aus Unternehmenssicht nachvollziehbar, weil jede Firma möglichst gute Leute einstellen will.“ Bei der Post ist der Druck zur Auslese besonders groß: In nur einer Branche gibt es mehr Krankmeldungen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort