Brüsseler Bürokratie bringt Aufträge nach Unkel

Der Unternehmensverbund Bluhm-Weber vertreibt Etikettiersysteme - Wachstum auch dank immer neuer Verpackungsverordnungen - Mitarbeiter-Beteiligungsmodell macht Betriebsrat überflüssig

  Die Fertigungshalle  in Rheinbreitbach bauten Bluhm und Weber Ende der 80er Jahre.

Die Fertigungshalle in Rheinbreitbach bauten Bluhm und Weber Ende der 80er Jahre.

Foto: Ludwig

Unkel. Der 11. März dieses Jahres war wieder so ein Tag, der in Unkel im Vorfeld kräftig Arbeit machte. An diesem Freitag wurde die EU-Direktive 2003/80/EC wirksam. Alle Hersteller von kosmetischen Produkten müssen seitdem auf ihren Cremes, Salben und Sprays kennzeichnen, wie lange die Produkte nach dem Öffnen noch haltbar und sicher einsetzbar sind.

Was bei den Kosmetik-Konzernen ein kurzes Seufzen über neue Kosten ausgelöst haben dürfte, verursachte in Unkel genau das Gegenteil - die Aussicht auf neue Geschäfte und mehr Umsatz. Der Unternehmensverbund Bluhm Systeme aus Unkel und Weber Labeling & Coding Solutions mit Stammsitz in den USA setzt unter anderem technisch um, was sich Beamte in Brüssel erdenken.

Auf drei Geschäftsfeldern bewegt sich die Firma nahe Bad Honnef in erster Linie. Sie liefert und betreut Systeme zum Etikettieren, Codieren und Markieren von Produkten - entweder weil die Waren für Kunden ausgezeichnet werden müssen, weil ein innerbetrieblicher Produktionsfluss gesteuert werden soll oder weil gesetzliche Vorschriften eine Auszeichnung notwendig machen. Ein boomender Markt: Für 2004 konnte Unternehmenschef Eckhard Bluhm ein Umsatzplus von rund 21 Prozent ausweisen. Die Firma wächst seit Jahren im In- und Ausland.

Auch wegen immer neuer gesetzlicher Vorschriften stehen bei Bluhm und Weber die Zeichen auf Expansion. Der kumulierte Umsatz des Unternehmensverbundes lag nach eigenen Angaben im Jahr 2004 bei 85,9 Millionen Euro, 1997 waren es noch 75 Millionen Deutsche Mark. In der selben Zeit stieg die Zahl der Mitarbeiter von 180 auf heute 365. Davon sind rund 177 Arbeitsplätze in Unkel und seit Ende der 80er Jahre im Produktionsstandort Rheinbreitbach, 500 Meter Luftlinie vom Stammhaus entfernt, angesiedelt.

Die übrigen Mitarbeiter arbeiten in Tochterfirmen in Lübeck, Esslingen, Leipzig sowie in der Schweiz, in Österreich, Frankreich, Belgien, Holland und in Dänemark. Der Vertriebs- und Servicestab umfasst 53 Mitarbeiter. Vor allem das seit 20 Jahren erfolgreich arbeitende 50:50-Joint Venture mit der in den USA angesiedelten Firma Weber nennt Bluhm als ausschlaggebend für den Erfolg seiner Firma.

Über 9 000 Kunden zählt Bluhm allein in Deutschland. Mit den Maschinen aus Unkel werden beispielsweise die Flaschen der Marke König-Pilsener durch Laser codiert. Bundesweit misst sich das Unternehmen in der Codier-Sparte mit etwa zehn Konkurrenten.

Die Zukunft ist auch in der Etikettierbranche elektronisch. Denn der heute auf so gut wie jedes Produkt gedruckte Barcode dürfte irgendwann von elektronisch zu lesenden Etiketten abgelöst werden. Die Hardware dazu haben Bluhm und Weber bereits entwickelt. Derzeit laufen Verhandlungen etwa mit dem Metro-Konzern, der ab 2006 seine 100 größten Zulieferer für die Palettenkennzeichnung auf das elektronische System RFID umrüsten will. Die gelieferten Paletten und deren Inhalt werden dann automatisch elektronisch erfasst - das Scannen des Barcodes entfällt. In der Zukunft hält Bluhm ein solches System auch an der Supermarktkasse für möglich.

Ein Baustein für den Erfolg seiner Firma sieht Bluhm auch in der Motivation der Mitarbeiter, die nicht zuletzt über ein seit rund 16 Jahren erfolgreiches Beteiligungsmodell auf der Grundlage des Gewinnsharings gesichert wird. Über zehn Jahre wird das Geld unter anderem in der Bluhm-Leasing angelegt, die den Kunden als "Hausbank" zur Verfügung steht.

Nach zehn Jahren müssen die Mitarbeiter entscheiden, ob sie sich das Geld auszahlen lassen - oder als stille Teilhaber in die Firma einsteigen. "70 Prozent entscheiden sich in der Regel für die Teilhabe", sagt Bluhm. Unter anderem deshalb kommt das Unternehmen bis heute ohne einen Betriebsrat aus. Das Beteiligungsmodell war auch ein Grund für die Auszeichnung mit dem "Großen Preis des Mittelstandes" vor einigen Tagen.

Und in noch einem Punkt können die Mitarbeiter beruhigt in die Zukunft schauen: Der heute 66-jährige Bluhm hat seine Nachfolge bereits heute geregelt. Seine drei Söhne sind in leitenden Funktionen in der Firma aktiv. Sie bilden die Bluhm-Holding, die im Notfall von heute auf morgen die Geschäftsführung übernehmen kann. Aber dank seiner täglichen Laufrunden fühlt sich Seniorchef Bluhm noch fit genug, sein Unternehmen selbst zu leiten - "obwohl ich meine Rente längst durch habe".

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