Tourismus in der Corona-Krise Bonner Reiseveranstalter leiden unter Reiseverbot

Bonn · Die Corona-Krise und die Vorschriften der Bundesregierung führen bei Unternehmen aus der Region zu finanziellen Belastungen. Solidarische Kunden buchen einfach um. Ob die Beethoven-Reise Mitte April stattfindet, ist noch offen.

 Bei einem Ortsbesuch mit einem Geschäftspartner in Tiflis, Georgien: Birgit Heinichen von Via Verde Reisen (r.) freut sich über die Solidarität ihrer Kunden.

Bei einem Ortsbesuch mit einem Geschäftspartner in Tiflis, Georgien: Birgit Heinichen von Via Verde Reisen (r.) freut sich über die Solidarität ihrer Kunden.

Foto: Martin Wein, Bonn

Es sind durchaus dramatische Worte, mit denen sich Michael Schulze an seine Kunden auf Kreuzfahrtschiffen wie der MS Albatros nördlich von Java oder der MS Deutschland vor Kapstadt wendet. Es herrsche eine „merkwürdige Stimmung mit kriegsähnlichen Zuständen“, berichtet der Direktor für Schiffsreisen von Phoenix Reisen in einer über Youtube verbreiteten Ansprache aus der Bonner Firmen-Zentrale. Auch wenn durch die Einreisebeschränkungen zahlreicher Länder die Reisenden derzeit oft viele Tage hintereinander auf den Schiffen verbringen müssten, seien sie dort zumindest gut aufgehoben und würden sicher zurück nach Europa gebracht. Vorsichtshalber sollen etwa auf der Albatros, die am Dienstag nördlich von Java mit Kurs auf den Suez-Kanal unterwegs war, morgens um neun Uhr alle zum Fiebermessen.

Eine Welt im Ausnahmezustand. Auch bei Bonner Reiseveranstaltern hinterlassen die Virus-Krise und die generelle Reisewarnung der Bundesregierung vom Montag zunehmend finanzielle Sorgen. Während der Branchenprimus Tui und die Lufthansa bereits nach Staatshilfe gerufen haben, ist von Panik vor Ort noch keine Rede. Birgit Heinichen etwa hat sich mit ihrem Spezialveranstalter Via Verde in Bad Godesberg auf Wanderstudienreisen im Kaukasus, in Jordanien oder Äthiopien spezialisiert. 50 Gästen musste sie Reisen bis zum 17. April mit einem Umsatzvolumen von rund 100.000 Euro bereits absagen.

Unter den Kunden herrsche dabei große Solidarität. „Viele buchen um, sogar schon auf Ostern 2021. So kann die Anzahlung gleich im Unternehmen bleiben“, freut sich Heinichen. Für sie und ihre Mitarbeiterinnen im Homeoffice sei dieses Verhalten auch psychologisch eine wichtige Stütze. Die Partner in Georgien oder Jordanien zeigten ebenfalls viel Verständnis. „Ich habe das Gefühl, die sind an schwere Zeiten viel mehr gewöhnt als wir. Sie machen das Beste daraus.“ Trotzdem müsse der Staat nun schnelle Hilfe leisten. Um dauerhaft liquide zu bleiben, seien langfristige Kredite mit geringer Verzinsung vonnöten, betont Heinichen.

Auch der Kulturreise-Veranstalter ViadellArte in der Thomas-Mann-Straße in Bonn verzeichnet herbe Verluste. Mit einer Reise nach Umbrien fing es an. Dann folgte Wien, weil die Konzerthäuser dort geschlossen wurden. „Insgesamt sieben Reisen mussten wir schon absagen“, berichtet Geschäftsführer Ralf Poppen. Bei einer Reiseklientel im Alter von durchschnittlich mehr als 60 Jahren wolle man keinerlei gesundheitliches Risiko eingehen. Auch Poppen hofft nun, dass möglichst viele Touren in den Herbst verschoben werden können – und dass die Kunden mitziehen. „Jeder Reisende sollte sich überlegen, ob er einfach storniert oder umbucht und damit zum Erhalt vieler kleiner Spezialanbieter beiträgt, die weltweit einmalig sind“, appelliert Poppen. Noch hofft er, dass zumindest die Wien-Reise zur Begleitung des Beethoven Orchesters vom 16. bis 20. April zum Jubiläumskonzert vielleicht doch noch stattfinden kann.

Beim Kölner Großveranstalter DER Touristik mit Marken wie Dertour, Meiers Weltreisen, Its oder Jahn-Reisen heißt es, man tue alles dafür, die Krise aus eigener Kraft zu stemmen. Das Unternehmen ist Teil der Rewe-Gruppe. Zusammen mit dem Auswärtigen Amt bemühe man sich derzeit um die Rückholung noch einiger Tausend Kunden. Da diese ihre Mobilfunknummern bei der Buchung angegeben hätten, seien sie individuell erreichbar, betont Tobias Jüngert, Leiter der Unternehmenskommunikation.

Phoenix Reisen hat für seine Gäste aktuell fünf Hochseeschiffe und zwei Dutzend Flusskreuzfahrtschiffe gechartert. Inzwischen hat das Unternehmen, das in Bonn 120 Mitarbeiter beschäftigt, erst einmal alle Flusskreuzfahrten und Zustiege bei Hochseereisen bis Mitte April abgesagt. „Unsere 1600 Gäste im Orient holen wir nun sukzessive nach Hause“, berichtet Geschäftsführer Benjamin Krumpen. Bei den Hochseeschiffen ist es schwieriger. Da musste der Geschäftsführer bei Besatzungen und Langzeitreisenden viel Überzeugungsarbeit leisten, um ihnen das Ausmaß der Krise zu verdeutlichen. „Wer seit Januar auf Weltreise ist, hat da wenig mitbekommen.“ Mangels offener Häfen und Flugverbindungen sollen nun die Schiffe ihre Passagiere nonstop nach Bremerhaven oder in einen Hafen am Mittelmeer bringen.

Mehrere Tourismusunternehmen verlängern den Reisestopp. Branchenprimus Tui Deutschland sagte sämtliche Reisen bis zum 23. April ab. Alltours verlängerte den Stopp bis einschließlich 30. April. Die Reisen würden kostenlos storniert, Kunden erhielten eine Bestätigung. Schauinsland-Reisen hängte eine Woche dran bis einschließlich 3. April. Für einige Zielgebiete würden Reisen auch über den 3. April hinaus abgesagt.

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