Bonner Parfümerie Vollmar ist ein Familienbetrieb mit 100-jähriger Tradition

Beratungsintensiver Luxus rein, Alltagsartikel raus: So lautete das unternehmerische Credo von Martin Hergarten, als er 1984 die Parfümerie Vollmar von seiner Mutter Gertrud Hergarten-Vollmar übernahm. Und offenbar geht seine Strategie auf.

 "Unsere Einrichtung ist zeitlos": Martin Hergarten leitet die Parfümerie Vollmar in der dritten Generation und ist stolz auf die barocken Schränke und Theken aus dem Jahr 1789.

"Unsere Einrichtung ist zeitlos": Martin Hergarten leitet die Parfümerie Vollmar in der dritten Generation und ist stolz auf die barocken Schränke und Theken aus dem Jahr 1789.

Foto: Horst Müller

Bonn. Kratzhändchen gegen Juckreiz auf dem Rücken und Haarnetze sind nicht gerade das, was Frauen von heute begeistert. Parfüms, Kosmetik, aufwendige Dessous dagegen schon.

Beratungsintensiver Luxus rein, Alltagsartikel raus: So lautete das unternehmerische Credo von Martin Hergarten, als er 1984 die Parfümerie Vollmar von seiner Mutter Gertrud Hergarten-Vollmar übernahm.

Und offenbar geht seine Strategie auf: Der gelernte Bankkaufmann und Diplom-Betriebswirt führt heute in dritter Generation die Parfümerie Vollmar und setzt dabei auf intensive Kundenbetreuung und persönliche Atmosphäre. "Hier soll es menscheln", sagt Hergarten.

Dies gelte sowohl im Kundenservice - "das unterscheidet uns von Konkurrenzbetrieben ähnlicher Größenordnung" - als auch innerhalb der Belegschaft. "Ich habe noch nie eine Mitarbeiterin an einen Kollegen verloren und es macht mich stolz, dass wir vor zwei Jahren das 50-jährige Dienstjubiläum einer Mitarbeiterin gefeiert haben", sagt der Parfümerie-Chef.

Das Stammgeschäft in der Bonner Sternstraße empfängt die Kunden - zu rund 80 Prozent Frauen im Durchschnittsalter von 35 bis 60 Jahren - mit einer einzigartigen barocken Holzeinrichtung aus dem Jahr 1789, die tausende moderner, glänzender Fläschchen und Kosmetiktöpfchen enthält.

Die Einrichtung, die von der 4711-Dynastie Mülhens stammt, sollte nach dem Vorschlag von Unternehmensberatern gegen etwas Modernes eingetauscht werden. Doch die damalige Geschäftsinhaberin Gertrud Hergarten-Vollmar habe "mit rheinischer Sturheit" nur gesagt: "Alles Quatsch. Dat lasse mer so."

Eine weise Entscheidung: "Unsere Einrichtung ist zeitlos", sagt Hergarten. "Umbauen, um ständig mit dem Zeitgeist zu gehen, müssen wir nicht." Das gilt zumindest für die außergewöhnliche Kulisse. Dennoch geht auch an inhabergeführten Parfümerien die Zeit nicht spurlos vorbei.

Im kommenden Jahr will Hergarten deshalb einen Internet-Shop eröffnen - "als Zusatzangebot". Es ist ein Spagat zwischen Tradition und Moderne: Vielleicht ist genau das der Grund, warum sich das Bonner Familienunternehmen seit 100 Jahren am Markt behauptet und in der Region mit 14 Filialen vertreten ist.

Was zunächst mit dem Kerzenfabrikanten Wilhelm Vollmar - einer bekannten Bonner Größe - begann, ist heute ein Fachgeschäft mit Luxusartikeln für Frauen, das rund ein Drittel seines Jahresumsatzes in den letzten sechs Wochen vor Weihnachten erwirtschaftet.

Auch personaltechnisch "eine Riesenherausforderung". Allein sechs Damen sind mit Geschenkverpacken beschäftigt. Zwei Models probieren dann von morgens bis abends Dessous an, die die männliche Kundschaft für ihre Frauen aussucht.

Darauf setzt Hergarten: "Durch die zunehmende Anonymität in der Welt etwa durch das Internet wird der persönliche Kundenkontakt als positive große Ausnahme wahrgenommen." Dies sei zwar ein personalintensives Geschäftsmodell und der Chef sei nur so gut wie sein Team, aber die Zielgruppe, die im Durchschnitt 120 Euro pro Einkauf zurücklässt, scheint genau dies zu schätzen: "Mein Kapital ist die Treue meiner Kunden", sagt Martin Hergarten, dessen Frau Gabriele auch im Geschäft arbeitet. Fast 60 Prozent sind Stammkundinnen.

"Ich habe immer noch Lust auf Expansion", sagt der 52-Jährige, der seiner Mutter zuliebe nach seinem Studium in den Betrieb eintrat. Hergarten will bis Mitte 2011 das Geschäft in der Sternstraße zu einem Concept Store - einem Fachgeschäft für Frauen mit einem deutlich breiteren Sortiment - von jetzt 200 auf 600 Quadratmeter Ladenfläche erweitern.

"Ein Projekt für die nächste Generation", sagt Hergarten, der auf einen seiner beiden Söhne hofft. Doch der Familienvater ist realistisch: "Das Leben ist nicht planbar. Aber ich würde mich freuen, wenn es klappt."

Vollmar in ZahlenGründung 1910 durch den Kerzenfabrikanten Wilhelm Vollmar, Großvater des jetzigen Geschäftsführers Martin Hergarten. Stammsitz ist das Geschäft in der Bonner Sternstraße 64.
Das Unternehmen beschäftigt in 14 Filialen 86 (hauptsächlich weibliche) Angestellte und 20 freiberufliche Kosmetikerinnen.
Der Umsatz betrug 2009 den Angaben zufolge rund 15 Millionen Euro (im Vorjahr 14 Millionen Euro). Für 2010 erwartet Hergarten "eher 16 Millionen Euro".

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