Start-up-Szene Bonner Digital Hub zieht positive Zwischenbilanz

Bonn · Der Bonner Digital Hub hat nach drei Jahren Fuß gefasst. Er unterstützt regionale Start-ups in der Anfangsphase. Und er expandiert: Ab 2020 ist er auch in der Bonner Innenstadt vertreten.

 Im Digital Hub am Bonner Bogen: Sophia Tran und Vorstand Ivan Ryzkov.

Im Digital Hub am Bonner Bogen: Sophia Tran und Vorstand Ivan Ryzkov.

Foto: Benjamin Westhoff

Ein trüber Nachmittag am Rhein. Die Bürogebäude neben dem Kameha Grand Hotel im Bonner Bogen sind zwar rundum verglast, aber viel Tageslicht will an diesem Tag nicht ins Innere dringen. Auf allen Etagen leuchten die Schreibtischlampen schon früh. Zusammen mit den hellen Computerbildschirmen bilden sie ein kleines Bürouniversum. Mit einem Klacken springt die Eingangstür am Haus Rheinwerkallee 6 automatisch auf. Ein bärtiger junger Mann gewährt Einlass. „Ich bin Dennis“, sagt er. Hier, im Bonner Digital Hub, wo Gründer aus der Start-up-Szene erste Schritte machen, ist man selbstverständlich per Du.

Der Bonner Digital Hub existiert nun seit fast drei Jahren. An seinem Standort im Bonner Bogen hat er Fuß gefasst, und inzwischen steht eine Erweiterung an. 2020 bezieht der Hub zusätzliche Flächen in der Innenstadt im neuen Urban Soul. Hub, das bedeutet Drehkreuz. Digital Hubs sind Schnittstellen zwischen Start-up-Szene, etablierten Unternehmen, Wissenschaft und Investoren. In NRW gibt es sechs solcher Plattformen. Das Land kündigte im Sommer an, sie in der zweiten Förderphase bis 2022 mit insgesamt 9,6 Millionen Euro zu fördern. 2,25 Millionen Euro davon entfallen auf Bonn.

Auf 326 Quadratmetern finden Besprechungszimmer Platz

Dennis führt durch die Räumlichkeiten. „Wir wollten weg von klassischen Büros, hin zu einer möglichst unkomplizierten Atmosphäre.“ Hier gibt es Nestwärme für Gründer. Auf 326 Quadratmetern finden mehrere Besprechungszimmer Platz, die auch an Firmen vermietet werden, Arbeitsnischen, ein Großraumbüro, dazwischen Stehtische, eine Lounge und der unvermeidliche Kickertisch, der zu einem Symbol der Gründerszene geworden ist.

An den Tischen sitzen Frauen und Männer um die 30, vertieft in ihre Laptops. Ob hier die Stars von morgen ihre Geschäftsideen voranbringen oder ob ihre Unternehmen schnell verglühen – das steht in den Sternen. In einem der oberen Geschosse sitzt zumindest ein erfolgreiches Start-up: Code Intelligence - aus Ausgründung der Uni Bonn- hat sich der IT-Sicherheit verschrieben und Dax-Unternehmen unter seinen Kunden.

Zu den maßgeblichen Geburtshelfern des Hub zählte 2016 Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg. Er ist mit der Entwicklung zufrieden. „Der Digital Hub ist eine große Bereicherung für die Region“, sagt Hille, heute Chef des Aufsichtsrats. „Wir helfen Menschen mit digitalen Geschäftsmodellen in einer frühen Phase, groß zu werden und zu wachsen.“ Gäbe es den Bonner Hub nicht, würden sich die klugen Köpfe nach Köln oder Berlin orientieren. Letztlich gehe es darum, den regionalen Wirtschaftsstandort nachhaltig zu stärken.

Die Einrichtung lebt nicht allein von Fördermitteln, sie soll Hille zufolge eines Tages auch ohne Förderung existieren können. Der Hub ist als Aktiengesellschaft strukturiert und kommt auf mehr als 20 Gesellschafter, darunter die Bonner Uni und die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er wird von zahlreichen Unternehmen – unter anderem Deutsche Post, Deutsche Telekom, Stadtwerke Bonn, aber auch Mittelständler – sowie öffentlichen Einrichtungen finanziert.

Es habe gedauert, bis man ein eigenes Profil entwickelt habe, sagt Sophia Tran. Die 34-Jährige ist im Hub-Team, das demnächst aus sechs festen Mitarbeitern besteht, für das Marketing verantwortlich. „Am Anfang waren wir Anlaufstelle für alle möglichen digitalen Themen“, sagt sie. Da habe auch schon mal ein Obstlandwirt nachgefragt, wie man einen Onlineshop aufbaut.

Inzwischen liegt der Fokus stärker darauf, regionale Start-ups zu unterstützen. Und das nicht nur durch Gratisnutzung der Arbeitsplätze im Hub, günstige Raummieten, Beratung, Veranstaltungen und Zugang zu Netzwerken. „Wir wollen keine Wirtschaftsförderung 2.0 sein“, erklärt Vorstand Ivan Ryzkov. „Wir wollen auch Start-ups aktiv anschieben und Risiken mittragen.“ Deshalb beteiligt sich der Hub hier und dort selbst, nach eigenen Angaben steigt er mit fünf- bis sechsstellige Beträgen ein. Insgesamt hat er 300 000 Euro investiert – in der Hoffnung, dass ein Start-up irgendwann so viel wert ist, dass der Verkauf von Anteilen gewinnbringend ist. Derzeit sind es neun Beteiligungen, bei 35 aktiven Start-ups. 65 wurden bislang insgesamt begleitet. Wer in das sogenannte Accelerator-Programm will, muss sich bewerben.

Lukas Strniste hat sich im Hub eine kleine Arbeitsnische zurückgezogen. An seinem Unternehmen Start-up Zoom ist der Digital Hub beteiligt. Neue und alte Wirtschaft miteinander zu verbinden, das ist das Geschäftsmodell des 34-Jährigen. Konzerne und Mittelständler müssen sich neu aufstellen, wissen aber nicht so recht, wie. Start-ups haben womöglich Lösungen, aber keinen Zugang zu Entscheidern in den Firmen. Strniste bringt beide zusammen und begleitet sie. Dazu bietet er eine spezielle Software an. „Innovationsmanagement wird für Unternehmen immer wichtiger. Manche sind verschwunden, weil sie wichtige Trends verpasst haben – so wie Kodak“, so Strniste, der bei der Deutschen Post in der Innovationsabteilung tätig war. Doch dann drängte es ihn in die Selbstständigkeit, getrieben von seiner „Leidenschaft für Technologien und den Wunsch, eigene Werte zu schaffen“.

2018 ergab eine Studie von Creditreform, dass die „Dynamik des Gründergeschehens“ in der Region Bonn schwach ausgeprägt sei. Demnach wird hier nicht so viel gegründet wie anderswo. Bonn sei ein guter Ort für Gründer, unterstreicht indes Sophia Tran. „Wir haben hier eine sehr lebendige Szene.“ Das zeige nicht zuletzt der große Zuspruch für den Summer Slam. Die Netzwerk-Party zog im Mai rund 2000 Besucher an.

„Mit ihrer Wirtschaftskraft, den vielen potenziellen öffentlichen Auftraggebern und dem High-Tech Gründerfonds ist Bonn ein gutes Pflaster für Gründer“, ist sich auch Ryzkov sicher. Sein Ziel: Bis 2022 soll sich ein Dutzend Start-ups mit mindestens zehn Arbeitsplätzen etabliert haben.

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