30 Prozent weniger Verträge Betriebe in Bonn und der Region bilden wegen Corona-Pandemie weniger aus

Bonn · Die Betriebe in Bonn und der Region stellen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr so viele Auszubildende ein. Dabei sind viele von ihnen langfristig auf den Nachwuchs angewiesen.

 Heißer Arbeitsplatz: Eine Auszubildende zur Schweißerin arbeitet im Ausbildungszentrum Butzweilerhof mit einem Schweißgerät an einem Stück Metall.

Heißer Arbeitsplatz: Eine Auszubildende zur Schweißerin arbeitet im Ausbildungszentrum Butzweilerhof mit einem Schweißgerät an einem Stück Metall.

Foto: dpa/Oliver Berg

Langsam gehen wieder Gästeanfragen in den Bonner Hotels ein, doch von der Normalität seien die Betriebe noch „weit entfernt“, berichtet Thomas von dem Bruch, Geschäftsführer der Rheinland Tourismus GmbH. Und so geht es nicht nur den Hotels. Viele Unternehmen sind aufgrund des Coronavirus noch immer in Kurzarbeit und lange nicht zurück im üblichen Arbeitsalltag – neue Verträge abzuschließen ist für einige Betriebe zurzeit unvorstellbar. Die Folgen für den Ausbildungsmarkt bekommen junge Arbeitssuchende in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis zu spüren.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg vermeldete zum 31. Mai 981 eingetragene Ausbildungsverträge. Im Vorjahr waren es zu diesem Zeitpunkt fast 1400 Verträge. Der Rückgang um fast 30 Prozent zeige, „wie groß die Unsicherheit auf dem Ausbildungsmarkt angesichts der momentanen wirtschaftlichen Situation bei Unternehmen und Ausbildungsplatzsuchenden“ sei, berichtet Jürgen Hindenberg, Geschäftsführer Berufsbildung und Fachkräftesicherung der IHK Bonn/Rhein-Sieg. Im Bezirk der Agentur für Arbeit Bonn ging außerdem die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen um knapp zehn Prozent zurück.

Am stärksten betroffen seien laut IHK der Eventbereich, die Hotelbranche und die Reisebüros. So berichtet beispielsweise von dem Bruch über eine Bonner Kooperation von 15 inhabergeführten Hotels: „Für das neue Ausbildungsjahr pausieren die meisten Hotels der Hotelkooperation „die Originale“ und schließen zum Sommer vorerst keine neuen Ausbildungsverträge ab.“ Es sei zurzeit nicht möglich, den Azubis die nötige Betreuung und Perspektive zu geben. Initiativbewerbungen für die Zeit nach der Corona-Pandemie könnten Interessierte jedoch bereits einreichen.

In einer ähnlichen Situation befindet sich zurzeit ein Reisebüro in Bonn. Die etwa 80 Mitarbeiter in verschiedenen Büros arbeiten alle in Kurzarbeit. „Wir können deshalb im Moment keine neuen Verträge abschließen“, heißt es auf Anfrage des GA. In den Vorjahren hatte das Unternehmen drei bis fünf Auszubildende pro Jahrgang eingestellt. Jetzt müsse man hingegen alles tun, damit die Firma überlebe.

Die Zahl der Bewerber in NRW sank im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls. Im Mai zählte die Agentur für Arbeit im Land etwa 97350 Menschen mit Interesse an einer dualen Berufsausbildung – über elf Prozent weniger als vor einem Jahr. Oliver Krämer, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bonn/Rhein-Sieg, führt dies insbesondere auf die fehlenden Informationsmöglichkeiten zurück: „Es gab nicht nur die Schulschließungen. Die Messen und Infoveranstaltungen sind auch noch alle weggefallen.“ So gehen die Bewerberzahlen auch im Handwerk zurück. Die Ausbildungsbereitschaft der handwerklichen Betriebe ist jedoch laut Krämer trotz der Corona-Pandemie ungebrochen. In Branchen, die hingegen in den vergangenen Monaten zum Erliegen gekommen sind, soll es laut Ausbildungskonsens Bonn/Rhein-Sieg zum 1.Februar 2021einen zusätzlichen Starttermin für Ausbildungen geben.

Außerdem verspricht die Bundesregierung Hilfe. John Füllenbach, Geschäftsführer des Hotels „Zur Post“ in Bonn, sieht die Hilfe als einen ersten Anreiz: „Wir sind über jeden Euro froh, den wir als Unterstützung bekommen.“

Füllenbach besetzte noch Ende März eine freigewordene Stelle mit einer neuen Auszubildenden. Für ihn komme es nicht infrage, in diesem Jahr keine Azubis aufzunehmen. „Trotz aller Schwierigkeiten ist das sehr wichtig. Sonst habe ich in fünf Jahren keine Leute mehr“, so der Geschäftsführer. Er sehe es als „großen Fehler“, jetzt nicht mehr auszubilden und würde bis zum Sommer sogar gerne noch mehr Azubis aufnehmen – bisher habe er allerdings noch keine Bewerbungen bekommen. Ähnlich sieht Torsten Withake, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, die Situation: Auch er empfiehlt den Betrieben trotz ihrer existenziellen Sorgen, gerade jetzt über Ausbildungen nachzudenken, da „die grundlegenden demografischen Herausforderungen für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts bleiben“. Jede Fachkraft, die jetzt nicht ausgebildet werde, fehle bereits in naher Zukunft.

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