Präsident des Bundeskartellamts Andreas Mundt: "Die Energiewende führt weg vom Markt"

BONN · Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts, zur Arbeit seiner Behörde und Neuerungen im Kartellgesetz.

 "Wir decken heute mehr Kartelle auf": Andreas Mundt.

"Wir decken heute mehr Kartelle auf": Andreas Mundt.

Foto: Barbara Frommann

Gibt es heute mehr Kartelle und Preisabsprachen als früher, oder geht die Zahl zurück?

Andreas Mundt: Aus der Anzahl der entdeckten Kartelle kann man nicht auf die Gesamtzahl schließen. Wir decken aber in den vergangenen Jahren auf jeden Fall deutlich mehr Absprachen auf als früher. Wir haben in diesem Bereich sehr viel Erfahrung gesammelt, auch vor Gericht. Außerdem wirkt die Kronzeugenregelung sehr gut.

Viele Konzerne treffen angeblich Vorsorge gegen verbotene Absprachen in den eigenen Reihen, schaffen zum Beispiel Posten für Kartell- oder Korruptionsbekämpfung. Spüren Sie eine Wirkung?

Mundt: Ja, wir haben den Eindruck, dass das Thema ernst genommen wird. Die Unternehmen kommen teilweise auch zu uns und stellen Ihre Programme vor. In vielen Fällen erscheinen sie uns auch belastbar.

Ist das auch ein Thema für den Mittelstand?

Mundt: Ja, auch wenn Großkonzerne eher in der Lage sind, das aus eigenen Mitteln zu stemmen. Aber die Mittelständler lassen sich zum Beispiel von außen schulen, etwa durch Anwaltskanzleien.

Gibt es bestimmte Branchen, die besonders anfällig für Kartelle sind?

Mundt: Unsere jüngsten Fälle kommen aus den Branchen Tondachziegel, Luxuskosmetik, Brillengläser, Spanplatten, Tapeten, Pflastersteine, Betonröhren - ich kann da kein Muster erkennen.

Es heißt, dass vor allem Produkte, die sich kaum voneinander unterscheiden, für Preisabsprachen anfällig sind...

Mundt: ...die sogenannten homogenen Massengüter. Da ist eine gewisse Affinität da, weil schlicht und einfach der Preis der einzige Wettbewerbsparameter ist. Da sind Absprachen dann vielleicht auch etwas erleichtert.

Wie beim Sprit?

Mundt: Ja, das ist aus unserer Sicht auch ein homogenes Massengut. Absprachen können wir in der Branche bislang nicht ausmachen, wohl aber ein System des Abguckens und Nachmachens. Der Wettbewerb an den Tankstellen ist aus unserer Sicht nicht zufriedenstellend.

Die Bundesregierung ist aktiv geworden und plant, beim Bundeskartellamt eine Markt- und Transparenzstelle einzurichten, der die Mineralölkonzerne ihre Preise melden müssen. Wie sieht das konkret aus?

Mundt: Der Gesetzentwurf dazu soll morgen ins Kabinett. Die Preise sollen nicht nur an den Tankstellen, sondern auch an den Raffinerien erfasst werden. Ziel ist es besser kontrollieren zu können, ob die Mineralölkonzerne das Benzin aus ihren eigenen Raffinerien an die Freien Tankstellen tatsächlich manchmal teurer abgeben, als sie es an ihren eigenen Straßentankstellen verkaufen. Wir haben dazu eine ganze Reihe an Verfahren eingeleitet.

Welchen Effekt versprechen Sie sich davon?

Mundt: Wir sind keine Behörde, die auf Knopfdruck die Preise senken kann. Wir sind keine Regulierer. Wir versuchen Wettbewerb herzustellen, und in diesem Fall über die Freien Tankstellen.

Reicht das denn?

Mundt: Das Datensammeln senkt noch nicht die Preise. Man wird diskutieren müssen, ob man diese Daten noch auf andere Weise nutzen kann. Es gibt ja Überlegungen, die über die Einrichtung einer Meldestelle hinaus gehen. Unsere Schwesterbehörde in Australien berichtet von guten Erfahrungen mit der Vorschrift, dass die Mineralölkonzerne Preisänderungen an den Tankstellen am Vortag melden müssen und dann für 24 Stunden auch nicht mehr ändern dürfen.

Nicht nur der Sprit, die Energiemärkte stehen insgesamt im Fokus der Politik und der Aufsichtsbehörden. Bei Strom und Gas ist liberalisiert worden, jetzt setzt die Energiewende aber neue Trends...

Mundt: ...die uns große Sorgen machen. Die Energiewende führt weg vom Markt, und das ist eine große Gefahr. Wir und andere Behörden haben jahrelang dafür gekämpft, dass auf diesen Märkten Wettbewerb entsteht. Zu Beginn der Liberalisierung im Jahr 1998 lag der reine Strompreis netto ohne Steuern und Abgaben bei 13,5 Cent, heute, 14 Jahre später, bei 13,7 Cent. Also fast unverändert. Das ist ein großer Erfolg. Doch was nimmt der Bürger wahr? Eine gewaltige Kostensteigerung. Das liegt daran, dass der Staat seinen Anteil am Strompreis von damals 26 auf heute 46 Prozent erhöht hat.

Wie geht es weiter?

Mundt: Eigentlich hatte der Wettbewerb gerade große Fortschritte gemacht. Sie können heute zum Beispiel mit wenigen Klicks den Anbieter wechseln. Doch jetzt kommt die Energiewende. Es geht auf einmal um Netzstabilität, um Kapazitätsmärkte. Alle möglichen staatlichen Akteure greifen in den Markt ein, im immer weiter wachsenden Bereich der Erneuerbaren Energien wird komplett außerhalb des Marktes produziert, mit staatlich verordneten Einspeisevergütungen, die zu Fehlallokationen führen wie bei der Fotovoltaik. Da ist noch viel mehr Planwirtschaft zu befürchten, als wir heute schon haben.

Wofür plädieren Sie?

Mundt: Erst einmal für eine saubere Analyse. Brauchen wir das alles wirklich? Und bei der Entscheidung darüber sollten wir so weit wie möglich die Marktteilnehmer in der Verantwortung lassen. Marktakteure haben in der Regel ein besseres Gespür für Effizienz und Wirtschaftlichkeit, als die öffentliche Hand. Die gehen mit ihrem eigenen Geld rein, das fördert aus meiner Sicht eine andere Art der Verantwortung.

In Deutschland können Unternehmen Kartellstrafen vermeiden, indem sie den verurteilten Unternehmensteil einfach auflösen oder fusionieren. Ist das nicht ein Missstand?

Mundt: Ja, hier muss noch etwas geschehen. Wir hatten das beim Versicherungskonzern HDI-Gerling, und es gibt noch andere Beispiele. Diese Umgehungsmöglichkeit soll zwar mit der aktuellen Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erschwert werden, möglich ist es aber immer noch. Bei einem millionenschweren Bußgeld kann sich das für ein Unternehmen immer noch lohnen, sich auf diesem Weg der Strafe zu entziehen. Das Loch muss wasserdicht gemacht werden.

Zur Person

Andreas Mundt ist seit 2009 Präsident des Bundeskartellamtes. Der 51-jährige Jurist gehört der Behörde seit dem Jahr 2000 an, zuletzt als Leiter der Grundsatzabteilung. Zuvor hat er unter anderem als Referent für Arbeits- und Sozialrecht bei der FDP-Bundestagsfraktion gearbeitet. Der gebürtige Bonner, der auch einen Teil seines Studiums in der ehemaligen Hauptstadt absolvierte, ist verheiratet und hat drei Kinder. (sd/wst)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort