Aus Antragstellern wurden Kunden Die Deutsche Telekom ist seit 25 Jahren Aktiengesellschaft

Bonn · Am 1. Januar 1995 wurde die Deutsche Telekom vom öffentlich-rechtlichen Unternehmen zur Aktiengesellschaft. Drei Bonner erinnern sich, welche Debatten es im Vorfeld der Postreformen gab und wie die Anfänge waren.

 Als die Telekom vor 25 Jahren zur Aktiengesellschaft wurde, waren sie hautnah dabei: Gustav Klein, Klaus Busch und Friedhelm Hillebrand (v.l.).

Als die Telekom vor 25 Jahren zur Aktiengesellschaft wurde, waren sie hautnah dabei: Gustav Klein, Klaus Busch und Friedhelm Hillebrand (v.l.).

Foto: Benjamin Westhoff

Drei Männer, drei Bonner Karrieren: Gustav Klein, Klaus Busch, Friedhelm Hillebrand. Sie stehen exemplarisch für die Veränderungen, die die Deutsche Telekom gerade in den Anfangsjahren auf dem Weg von der Behörde zum Weltkonzern gemacht hat. Eine mehr als 500 Jahre dauernde Ära ging am 1. Januar 1995 zu Ende, als die Post in Deutschland aus der staatlichen Obhut entlassen wurde und die Aktiengesellschaften Deutsche Telekom, Postbank und Deutsche Post gegründet wurden.

Schon am 1. Juli 1989 war die staatliche Bundespost in der ersten Postreform in die drei Unternehmen aufgeteilt worden. Weltweit ging zu Beginn der neunziger Jahre der Trend zu einer Privatisierung der staatlichen Postverwaltungen. Die Beförderung von Briefen und die Herstellung von Telefonverbindungen wurde nicht länger als hoheitliche Aufgabe angesehen, die Sache des Staates ist. Wettbewerb sollte die Unternehmen flexibler auf Kundenwünsche reagieren und die Preise sinken lassen.

„Wir hatten keine Kunden, wir hatten Antragssteller“, erinnert sich Klaus Busch an die Zeit vor der Privatisierung. Das sei für die Mitarbeiter natürlich ein großer Auffassungsunterschied gewesen. Busch besuchte 1962 eine Ingenieurschule, die es bis in die siebziger Jahre hinein in Westdeutschland gab. Er machte den Aufstieg in den höheren Dienst und war später Pressesprecher bei Postminister Kurt Gscheidle. Zur Zeit der Postreform war Busch Leiter des Privatkundenvertriebs, später Stabsleiter bei Telekom-Vorstandsmitglied Detlev Buchal und Geschäftsgruppenleiter für Strategie und Marketing. Danach war er Chef der Telekom-Niederlassung am Bonner Talweg.

„Wir haben uns auf diese neue Welt gefreut.“

Der 76-Jährige denkt positiv an die Zeit rund um die Postreformen zurück: „Wir haben uns auf diese neue Welt gefreut.“ Es seien neue Vorstände von außen gekommen, mit denen er ausgezeichnet zusammengearbeitet habe.

Auch Gustav Klein arbeitete in den achtziger Jahren im Postministerium. „Wir fingen mit Marketing an“, erinnert sich der 74-Jährige. Das sei für ein Ministerium schon ungewohnt gewesen. Doch allen sei klar gewesen: „Im kommenden Wettbewerb mussten wir uns anders aufstellen.“ Der Ingenieur wechselte später nach Berlin zu einem Projekt namens Berkom, wo Anwendungen für geplante Breitbandnetze wie Breitband-ISDN entwickelt wurden.

Später war er Geschäftsführer Multimedia Betriebs Geschäftsführungs-GmbH (MMBG).
Die Telekom wollte mit den Medienhäusern Bertelsmann und CLT sowie den Programmanbietern ARD, Canal+, RTL und ZDF einheitliche Decoder-Infrastruktur für den Empfang digitaler Fernsehprogramme vermarkten. Doch die Pläne platzten, die Telekom stieg aus dem Projekt aus. Klein leitete auch Kundendirektion der Deutschen Telekom und danach Vorstandsbeauftragter für E-Ticketing und mobile Lösungen. An die Phasen „draußen“ für die Telekom erinnert er sich am liebsten: „Es war die schönste Zeit.“

Erfolgsmodell Mobilfunk

Schon nach der ersten Postreform begann bei der Telekom, das Geschäft mit der mobilen Kommunikation durch den ersten europäischen Mobilfunkstandard GSM stark zu wachsen. Ab 1992 entwickelte sich der Mobilfunk durch den Wettbewerb der beiden Anbieter Telekom und Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone) in atemberaubendem Tempo. Mitte der 1990er Jahre begann der Siegeszug der Internettechnologie. Beide Entwicklungen hat Friedhelm Hillebrand in seiner Laufbahn hautnah miterlebt.

Der heute 79-Jährige arbeitete seit 1970 bei der Telekom, die damals noch nicht so hieß, und seit 1975 im Postministerium: „Ich habe die Neigung gehabt, mich um neue Projekte zu kümmern.“

Hillebrand hat die Entwicklung des digitalen Mobilfunks von Anfang an mitgestaltet. Bei der Deutschen Bundespost war der studierte Nachrichtentechniker verantwortlich für den Mobilfunkstandard GSM und später für die Einführung des D1-Netzes. Er war auch Direktor des Weltverbands der Netzbetreiber.

Am Beispiel des Mobilfunks erläutert Hillebrand, warum es in der Behördenstruktur nicht gelungen wäre, im Wettbewerb zu bestehen. „Wir haben dafür gekämpft, dass eine Tochtergesellschaft gegründet wurde. Der Minister und die Personalvertretungen waren strikt dagegen.“ Quasi als Notmaßnahme sei ein Projekt bei Detecon gegründet worden, das bis 1992 leitete. Er sei mit 40 Beschäftigten gestartet, am Ende waren es 650 und sieben Außenbüros im Bundesgebiet.

„Wir haben lange darunter gelitten, dass es von der ersten bis zur zweiten Postreform so lange dauert hat“, sagt Hillebrand. Es sei äußerst mühselig gewesen, für das wachsende Geschäftsfeld Mitarbeiter zu gewinnen, denn er habe nur Zeitverträge bis Ende 91 anbieten können. „Wir bekamen keine Führungskräfte“, erinnert sich Hillebrand, der Miterfinder der SMS ist. Das sei damals alles schon ziemlich schwierig gewesen. „Wenn man sich anguckt, welche Rolle der Mobilfunk heute spielt, dann ist es schon bemerkenswert, welche Steine man uns damals in den Weg gelegt hat.“ In den Nachbarländern sei die Entwicklung im Mobilfunk schon viel weiter fortgeschritten gewesen.

In Deutschland sei sehr lange an Monopolstrukturen festgehalten worden. „Die erste Postreform brachte uns intern kaum Flexibilität“, so Hillebrand. Es seien nur Vorstandsposten und darunter die Direktorenebene neu besetzt worden. Das ersetzte die Abteilungsleiter des Ministeriums. Außerdem habe es ein bißchen Flexibilität bei den Gehaltsstrukturen gegeben.

Großprojekt Aufbau Ost

Ein großes Thema war zu Beginn der neunziger Jahre der Aufbau Ost. „Wir haben sofort mit den Kollegen Kontakt aufgenommen“, erinnert sich Klaus Busch. Es hätten Millionen von Anschlüssen geschaltet werden müssen. In der Anfangszeit habe es riesigen Ärger gegeben und die öffentlichen Aussagen: „Das schafft die Telekom nicht, das sollen Private machen.“

Aber es sei gelungen: Zum Start der zweiten Postreform seien zusätzlich fünf Millionen Anschlüsse im Osten geschaltet gewesen. Im Festnetz machten neue Wettbewerber den Telekom-Mitarbeitern das Leben schwer. Darunter namhafte Konzerne wie Veba, Thyssen, RWE. Aber auch Ausgründungen von Stadtwerkern: „Die kleinen Stadtnetzbetreiber haben uns viele Kunden weggenommen“, sagt Klein.

Unterlagen aus den vergangenen 25 Jahren, aber auch aus der Zeit davor, werden im Archiv der Telekom aufbewahrt. Auf rund 1400 Regalmetern lagern Kataloge, Prospekte, Mitarbeiter- und Kundenzeitungen, Zeitschriften, Plakate. Hinzu kommen 500.000 Fotos von 1990 bis zur Umstellung auf Digitalfotografie im Jahr 2003. Das älteste Objekt ist die Zeitschrift des Deutsch-Österreichischen Telegraphenvereins von 1856.

„Das Archiv ist das Gedächtnis der Telekom“, sagt Wolfgang Richter, seit der Gründung 2005 als Unternehmensarchivar für die Katalogisierung verantwortlich. Und ein Rundgang zeigt, wie schnell die Entwicklung vorangeschritten ist. Preislisten zeigen Tarife in ungeahnter Höhe, Fotos Menschen mit riesigen Mobilfunk-Endgeräten. Selbstverständlich bewahrt Richter dort auch die Geschäftsberichte auf. Im Geschäftsbericht von 1995 ist viel über die Hoffnungen zu lesen, die die Telekom von ihrer Allianz mit France Télécom und dem US-Unternehmen Sprint unter dem Namen Global One erwartete. Dieser „Meilenstein“ scheiterte nach drei Jahren kläglich.

Heute steht man wieder in Kontakt: Auf dem US-amerikanischen Markt will die Telekom-Tochter mit Sprint fusionieren, auf dem Europa-Markt lotete die Deutsche Telekom jüngst die Chancen einer Fusion mit dem französischen Telekommunikationskonzern Orange, früher France Télécom, aus.

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