Aktionärstreffen bei Bayer Kritiker nehmen Monsanto ins Visier

Bonn/Leverkusen · Bayer-Hauptversammlung im Zeichen der Monsanto-Übernahme: Ein Votum der Eigentümer steht nicht mehr an, nur die Kartellbehörden müssen noch zustimmen. Doch gegen die Machtkonzentration in der Agrarchemie laufen Kritiker Sturm.

Gerne hätte Werner Baumann den Bayer-Aktionären an diesem Tag schon den Vollzug gemeldet. Doch die Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto hängt in der Warteschleife. Derzeit prüfen zahlreiche Kartellbehörden den Deal. Und bei den EU-Wettbewerbsaufsehern wurde der Antrag zur Genehmigung bislang noch nicht einmal eingereicht. Trotzdem: Bayer-Chef Baumann, gerade ein Jahr im Amt, rechnet fest bis Ende 2017 mit einem Abschluss des bislang teuersten Zukaufs eines deutschen Unternehmens im Ausland.

Unterdessen hofft eine breite Front von Umwelt- und Naturschützern, Landwirten, Nicht-Regierungsorganisationen, kirchlichen Gruppen und Globalisierungskritikern, dass Brüssel die 66 Milliarden Dollar teure Akquisition zu Fall bringt. Lena Michelsen vom Inkota-Netzwerk, das sich seit Jahren in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit engagiert, sieht ebenso wie Brot für die Welt durch die wachsende Marktmacht größere Abhängigkeiten der Kleinbauern in Entwicklungsländern entstehen.

„Der Vertrieb von Pestiziden führt dort zu Problemen und die Ernährungssouveränität geht verloren“, betont sie. Misereor spricht sogar von „verheerenden Folgen“ durch den Einsatz großer Mengen an Agrarchemikalien.

Ende März warnten fast 200 Umwelt- und Entwicklungsverbände in einem offenen Brief an die EU-Kommission vor den Fusionen in der Branche und einer weiteren Monopolisierung der Märkte. „Die Abnahme des Wettbewerbs und zunehmende Marktdominanz schränkt die Vielfalt des Saatgutes und die Wahlmöglichkeiten der Bauern ein und erhöht deren Abhängigkeit vom chemischen Pflanzenschutz“, heißt es in dem Schreiben.

Bayer-Chef Baumann sieht das anders: Fast gebetsmühlenartig wirft er immer wieder die Frage auf: Wie soll die wachsende Weltbevölkerung, die bis 2050 auf 10 Milliarden ansteigen soll, ernährt werden? Nur ein vollintegrierter Anbieter könne mit innovativen Produkten helfen, Lösungen bereitzuhalten. Dabei stützt er sich auch auf den Welternährungsbericht der FAO. Seinen Kritikern hält der Bayer-Chef vor, mit der Agrarwende die Probleme nur zu verschärfen.

„Stimmt nicht“, sagt Michaelsen von Inkota. Schon heute könnten nach Daten der FAO rein rechnerisch 12 bis 14 Milliarden Menschen ernährt werden. Die Probleme lägen in der Verteilung, der wachsenden Ausrichtung von Ackerflächen auf Futtermittel, der enormen Verschwendung von Lebensmitteln und dem zunehmenden Fleischkonsum.

Der FAO-Bericht von Anfang 2017 fordert ein Ende des gegenwärtigen Agrarsystems, das eine massive Entwaldung, Wasserknappheiten sowie Bodenerosion verursacht und zu einem Anstieg von Treibhausgasen geführt habe. „Innovative Systeme werden gebraucht, die die natürlichen Ressourcen schützen und erweitern“, heißt es dort.

Doch die Appelle der Kritiker scheinen kaum zu fruchten. So hatte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erst vor wenigen Wochen die Übernahme von Syngenta aus der Schweiz durch ChemChina und die Fusion von Dow Chemical und DuPont mit Auflagen genehmigt. Sollte das eine Blaupause auch für Bayer sein? Nicht unbedingt: Vestager wies darauf hin, dass die Landwirte auch nach der Übernahme von Monsanto durch Bayer beim Kauf von Saatgut und Pestiziden eine Alternative haben müssten.

Im Fokus um das Agrarmonopoly steht auch das Pflanzengift Glyphosat, ein sogenanntes Totalherbizid, das Monsanto unter dem Namen Roundup vertreibt. Ein Institut der Weltgesundheitsorganisation hatte das Ackergift als „wahrscheinlich krebserzeugend“ eingestuft. Monsanto setzte alle Hebel in Bewegung, um den Vorwurf zu entkräften.

So gaben inzwischen die Europäische Behörde für die Sicherheit von Nahrungsmitteln (Efsa), die Chemikalienagentur Echa und auch das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) Entwarnung: „Die Substanz ist wahrscheinlich nicht genotoxisch“, stelle also keine krebserregende Bedrohung für den Menschen dar. Bis Ende 2017 muss die EU die Zulassung verlängern oder das Mittel endgültig verbieten.

Doch so eindeutig stehen die Dinge nicht: Eine Studie über Glyphosat, die von Kritikern des Pestizids befördert wird, weist auf einen anderen Zusammenhang. Die Autoren bezweifeln die Unabhängigkeit der Wissenschaftler, halten ihnen Nähe zur Industrie vor und sprechen von einem Mangel an Transparenz. „Eine angemessene Bewertung würde notwendigerweise zu einem Glyphosat-Verbot in Europa führen“, schlussfolgern sie.

Der kanadische Rocksänger Neil Young, der sich in den USA wie viele für eine nachhaltige Landwirtschaft stark macht, gehört zu den Kritikern der Agrarchemie und Gentechnik. In dem Album „The Monsanto Years“ von 2015 knöpft er sich den Riesen aus St. Louis vor: „Wenn die Saat austreibt, ist sie bereit für das Pestizid. Und Roundup kommt und bringt die giftige Flut - von Monsanto, Monsanto.“

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