Arbeitsmarkt In NRW fehlen 25.000 Lehrstellen

Düsseldorf · Im Bezirk der Arbeitsagentur Bonn halten sich Angebot und Nachfrage die Waage. In NRW insgesamt sieht die Lage nicht so gut aus wie im bundesweiten Vergleich.

 Stellensuche: Eine junge Frau blickt auf eine Aushängewand mit Zetteln für freie Ausbildungsstellen.

Stellensuche: Eine junge Frau blickt auf eine Aushängewand mit Zetteln für freie Ausbildungsstellen.

Foto: dpa

Das neue Ausbildungsjahr ist noch nicht einmal zwei Wochen alt und selten war die Ausgangssituation besser als in diesem Jahr: Deutschlandweit verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit (BA) für die 512 000 Bewerber insgesamt 512 000 Ausbildungsplätze – eigentlich ein Traumzustand. Problem ist nur das sogenannte Matching: Nicht jeder Bewerber erhält seine Traumstelle, nicht immer liegt der freie Ausbildungsplatz in unmittelbarer Nähe des Wohnortes.

Besonders kritisch ist die Lage in NRW. Laut der Regionaldirektion der BA kommen mehr als 127 500 Bewerber auf 102 300 gemeldete Ausbildungsstellen – damit fehlen noch 25 000 Stellen. Nach der Statistik sind 35 600 Jugendliche noch auf der Suche, umgekehrt konnten 32 700 Stellen nicht besetzt werden.

Im Süden Nordrhein-Westfalens halten sich die Zahl der unbesetzten Stellen und der unversorgten Kandidaten überwiegend die Waage. Das gilt für die Arbeitsagenturbezirke Bonn, Bergisch Gladbach und Aachen–Düren. In letzterem kommen beispielsweise auf 2219 offene Ausbildungsplätze 2178 unversorgte Anwärter. Ein anderes Bild bietet sich in Köln. Dort haben die Arbeitgeber offenbar erhebliche Probleme, genügend Nachwuchs zu bekommen. Auf 2590 unbesetzte Stellen kommen gerade einmal 1422 mögliche Aspiranten. Ausbildungsstellenknappheit herrscht dagegen im Arbeitsagenturbezirk Brühl: Dort sind gerade noch 834 Stellen unbesetzt, während noch 1207 junge Menschen auf der Suche sind.

„Neben dem demografischen Wandel und dem unveränderten Trend zum Hochschulstudium spielt ebenfalls das Berufswahlverhalten junger Menschen eine entscheidende Rolle“, sagt Ralf Mittelstädt, Hauptgeschäftsführer der IHK NRW. Der überwiegende Teil der Berufsstarter konzentriere sich auf nur zehn Ausbildungsberufe, während etwa in den Bereichen Gastronomie, Lebensmittelverkauf und metallverarbeitende Industrie ein Mangel an Interessenten herrsche. „Langfristig müssen wir dafür sorgen, dass die Berufsorientierung breiter ausgerichtet wird – gerne mit Hilfe der IHKs“, sagt Mittelstädt.

Ein weiteres Problem: die Geografie. Bewerber und freie Ausbildungsplätze fallen nicht immer zusammen. So gab es laut BA im Juli in NRW 2417 erfolglose Bewerber für einen Ausbildungsplatz als Verkäufer, dem gegenüber standen aber 2316 zu vergebende Plätze. Mittelstädt fordert deshalb ein Azubi-Ticket für NRW.

Kritische Stimmen kommen von den Gewerkschaften. Während die Zahl der Bewerber steige, gehe das Angebot stetig zurück, sagt Michael Hermund, Arbeitsmarktexperte des DGB NRW. „Die Verantwortung für diese Misere tragen vor allem die Unternehmen, die zu wenig Ausbildungsstellen anbieten.“ Nur jedes vierte Unternehmen bilde überhaupt aus. Tatsächlich ist die Ausbildungsbetriebsquote, also der Anteil der Betriebe mit Lehrlingen gemessen an allen Firmen, zurückgegangen: 2008 lag die Quote in NRW noch bei 26,3 Prozent, in den darauffolgenden Jahren nahm sie kontinuierlich ab und betrug im vergangenen Jahr gerade einmal 22,4 Prozent.

„Wir erwarten von der neuen Landesregierung, dass sie das Problem an der Wurzel packt und die Unternehmen endlich stärker in die Pflicht nimmt“, fordert Hermund. Der DGB-Experte verlangt die Einführung einer Ausbildungsumlage, wie es sie bereits in der Pflege und dem Bauhauptgewerbe gibt. Dabei zahlen alle Firmen je nach Größe in einen Fonds ein.

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