Protest in Düsseldorf In Bonn und der Region herrscht Pflegenotstand

Bonn · Klinikdirektoren aus der Region unterstützen die Arbeitnehmerforderungen nach mehr Stellen. Für sie ist aber derzeit auch ein gravierendes Problem, dass sie vorhandene Stellen nicht besetzt bekommen.

Dass Arbeitgeber alles tun, damit ihre Beschäftigten an einer Demonstration teilnehmen können, zu der eine Gewerkschaft aufruft, kommt nur selten vor. „Wir haben versucht, möglichst vielen Beschäftigten zu ermöglichen, nach Düsseldorf zu fahren“, sagt Alexander Pröbstle, Pflegedirektor an der Uniklinik Bonn.

Rund 4000 Alten- und Krankenpfleger haben am Mittwoch zum Auftakt der Gesundheitsministerkonferenz in Düsseldorf für mehr Personal in Kliniken und Heimen protestiert. Unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle“ forderten die Beschäftigten gesetzliche Vorgaben zur Personalausstattung und Sofortprogramme zur Entlastung der Mitarbeiter.

„Die Beschäftigten haben heute ein starkes Signal an die Politik gesendet: Wir werden uns nicht mit Symbolpolitik abspeisen lassen, sondern erwarten schnelle, wirksame und nachhaltige Maßnahmen für eine gute Pflege und Versorgung sowie die Entlastung der Beschäftigten“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.

Nach Verdi-Berechnungen fehlen bundesweit rund 80.000 qualifizierte Pflegekräfte allein in den deutschen Krankenhäusern. Insgesamt, hat die Gewerkschaft berechnet, müsste das Pflegepersonal in den Krankenhäusern um 22 Prozent aufgestockt werden. Bei den Bonner Krankenhäusern kommt Verdi auf rund 1260 Stellen, die zusätzlich benötigt würden. Im Rhein-Sieg-Kreis betrage die Vakanz etwa 470 Stellen.

Für Ingo Morell, Sprecher der Geschäftsführung der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnnen zu Olpe mbH (GFO), sind das Zahlen, die er nachvollziehen kann. Zur GFO gehören in Bonn das Marienhospital und das St. Josef-Hospital, das Bad Honnefer Cura-Krankenhaus sowie die Troisdorfer Josef- und Johannes-Krankenhäuser. „Wir müssen in Deutschland eine Debatte darüber führen, welche Pflegequalität wir wollen“, sagt Morell. Denn letztlich könne ein Krankenhaus nur so viele Stellen schaffen, wie es über Fallpauschalen, die die Krankenkassen pro Patient zahlen, refinanzieren könne. Das werde künftig mehr Geld im Gesundheitssystem erfordern. Spätestens aber, wenn es um eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge gehe, stocke die Debatte. Deswegen finde er es auch gut, wenn die Pflegekräfte für mehr Personal demonstrierten.

Als zusätzliches Problem komme der Fachkräftemangel hinzu. „Wir bekommen unsere Stellen nur sehr schwer besetzt.“ Und unbesetzte Stellen trügen zur schwierigen Lage in der Pflege natürlich stark bei. Grundsätzlich arbeite nicht jede Station von der Stellensituation an der Belastungsgrenze. Aber wenn dann Krankheitsfälle oder Vakanzen hinzukämen, werde es schnell schwierig, allen Patienten gerecht zu werden.

Auch bei der Uniklinik in Bonn ist es wesentlich schwerer geworden, Stellen zu besetzen, berichtet Pflegedirektor Pröbstle: „Wir tun alles, was wir können.“ In den vergangenen zwei Jahren sei es durch intensive Gespräche mit dem Land gelungen, 50 Ausbildungsplätze zusätzlich zu schaffen. Grundsätzlich helfe die eigene Krankenpflegeschule, Nachwuchs zu finden, aber das reiche nicht aus. Deshalb habe man in den vergangenen Jahren qualifizierte Kräfte aus Italien und Griechenland gewonnen. Jetzt gebe es in den EU-Ländern aber kaum noch Fachkräfte, die nach Deutschland kommen wollten. Deshalb habe die Uniklinik Kontakte auf die Philippinen, nach Serbien und Bosnien geknüpft, um dort gut qualifiziertes Personal anzuwerben.

Derzeit arbeiten es an der Bonner Uniklinik 1876 Menschen in der Pflege, etliche von ihnen in Teilzeit. Man könne kaum sagen, wie viele Stellen nicht besetzt seien, weil ständig neue Abteilungen geschaffen würden, erläutert Pröbstle. „Ich bin sehr zufrieden, weil wir im vergangenen Jahr 70 Planstellen mehr geschaffen haben und auch besetzen konnten.“ Er habe den Ehrgeiz, dieses Jahr noch einmal 100 Stellen aufzubauen.

An der Uniklinik erhalte der Bereich Pflege den vollen Anteil, den es dafür aus den Fallpauschalen gebe. Das sei ein besonderes Merkmal der Anstalten öffentlichen Rechts, wie auch die Uniklinik eine sei. „Wir müssen nicht wie die privaten Kliniken Aktionäre daraus bedienen.“

Probleme, die vorhandenen Stellen zu besetzen, kennt auch das Johanniter- und das Waldkrankenhaus in Bonn. „Es gibt einen Pflegenotstand, da müssen wir gar nicht darum herum reden“, sagt Ute Pocha, Pflegedirektorin der beiden Bonner Johanniter-Krankenhäuser. Wenn Verdi davon spreche, dass die Zahl der Stellen in der Pflege um 22 Prozent aufgestockte werden müsse, dann verstehe sie die geforderte Größenordnung. Pocha empfindet es aber als Problem, dass es keine aktuellen wissenschaftlichen Studien über Stellenschlüssel für die Besetzung von Pflegeeinrichtungen gebe. Für die Forderungen gegenüber der Politik seien wissenschaftlich gestützte Zahlen sinnvoll.

Eigene Krankenpflegeschule

Die eigene Krankenpflegeschule helfe enorm, um Nachwuchs zu gewinnen, berichtet Pocha. Neben der Ausbildung als Krankenpfleger gebe es dort jetzt auch die einjährige Ausbildung zum Krankenpflegeassistenzen.

Während der Grippewelle im Frühjahr seien Johanniter- und Waldkrankenhaus zwischenzeitlich die einzigen Krankenhäuser in Bonn gewesen, die sich nicht von Notdienst abgemeldet hätten. Das sei dem Personal zu danken, die zahlreiche Überstunden gemacht hätten. Diese Einsatzbereitschaft sei nicht hoch genug einzuschätzen, sagte Pocha.

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