Die erste Bonner Fahne zeigte den Preußenadler

Fahnenfabrik produziert seit 1866 in der Bundesstadt - Familienbetrieb in der fünften Generation - Werbeflaute trifft das Traditionsunternehmen kaum

Bonn. In großen Wäschekörben stapeln sich die Stoffbahnen: gelb für C & A, magenta für die Telekom, blau-weiß kariert für Löwenbräu. Zwischen den bunten Polyester-Bergen sitzen die Näherinnen.

Sie säumen Ränder und fügen Karabinerhaken an. Manche Arbeitsgänge in der Bonner Fahnenfabrik haben sich seit der Unternehmensgründung vor 132 Jahren kaum verändert.

Eine Etage tiefer in dem traditionsreichen Gebäude an der Nordbrücke hat die technische Entwicklung deutlichere Spuren hinterlassen. Bis zu 50 Meter lang sind die vier Siebdruckmaschinen, die Farbe auf die weiße Stoffbahnen bringen. Vieles läuft vollautomatisch.

Wenige Arbeiter überwachen den Druckvorgang oder programmieren die Computer-Steuerung. Durch große Siebe werden die Farben nacheinander auf den Stoff aufgetragen, bis ein gerastertes Bild entsteht. Anschließend wird der Druck fixiert, und der Stoff wandert weiter in die Waschmaschine.

"Unser wichtigster Geldbringer sind maschinell hergestellte Werbefahnen", sagt Paula Vieth, Vertriebsleiterin der Bonner Fahnenfabrik GmbH. Sie machten 80 Prozent der rund zehn Millionen Euro Jahresumsatz aus.

Aber das Traditionsunternehmen will das gesamte Angebotsspektrum für Fahnen abdecken: Tischfähnchen mit Familienwappen werden teils noch per Hand bedruckt und Vereinsfahnen auch in kleinen Auflagen genäht. Einzelaufträge wie die 30 mal 30 Meter große Fahne für einen Kunden aus Oman stellten jedoch Ausnahmen dar, so Vieth.

Im Lager liegen Länderflaggen von A bis Z geordnet. "Während der Fußball-Weltmeisterschaft haben bei uns die Telefone nicht mehr still gestanden vor lauter Bestellungen", erinnert sich Vieth.

Noch heute nähen die Fahnenhersteller zusätzliche Deutschlandflaggen, um das Lager wieder aufzufüllen. Mehr als zwei Millionen Quadratmeter Stoff verarbeitet das Unternehmen nach eigenen Angaben pro Jahr für rund 600 000 Fahnen.

"Die Bewegung des Stoffes zieht das Auge reflexartig an", wirbt Vieth für ihr Produkt im Vergleich zu Plakaten. Deshalb sei die Nachfrage nach Fahnen trotz der aktuellen Flaute auf dem Werbemarkt eher gestiegen. Für 2002 erwartet das Bonner Unternehmen ein leichtes Umsatzplus, "wie auch in den vergangenen Jahren". Vor allem Hersteller von Markenprodukten setzten auch in Innenräumen verstärkt auf Werbeträger aus Stoff. Vieth: "Das sieht einfach edler aus."

Das Bonner Unternehmen sieht sich als Nummer zwei auf dem deutschen Markt nach einem Wuppertaler Konkurrenten. Vier Fahnenhersteller produzieren nach Angaben Vieths im Inland. "Beim digitalen Direktdruck auf Stoff sind wir Technologieführer" so die Vertriebsleiterin. 110 Beschäftigte arbeiten in dem Betrieb an der Nordbrücke.

Vor drei Jahren waren es noch 150. "Ein Grund für die Stellenstreichungen war die zunehmende Automatisierung", erklärt Vieth. Weitere Arbeitsplätze wolle das Unternehmen nicht abbauen.

Als Ein-Mann-Betrieb nahm die Firmengeschichte der Fahnenfabrik ihren Anfang. Der Koblenzer Josef Meyer gründete 1862 in Bonn ein Geschäft für Dekorationsartikel und Tapeten.

Die Siegesfeiern der preußischen Soldaten brachten den Unternehmer kurz darauf auf die Geschäftsidee: Mit Schablonen druckte er den Preußenadler auf weißen Stoff und nähte außen schwarze Streifen an - der erste in großer Stückzahl produzierte Verkaufsrenner der Bonner Fahnenfabrik.

Zur Gründung des Kaiserreichs im Jahr 1871 florierte der Betrieb bereits. 15 Prädikate als "Kaiserlicher Hoflieferant" konnte Unternehmensgründer Meyer 1880 vorweisen. Seine Nachkommen führen den Familienbetrieb heute bereits in der fünften Generation.

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