Bayer und Monsanto Die Börse blickt auf die Leverkusener

FRANKFURT · Auf dem Parkett gibt es Gerüchte um höheres Angebot für Monsanto. Billiges Geld befeuert die Übernahmewelle in der Pharmabranche.

 Deutsche Pharmafirmen sind derzeit an Verkäufen oft nicht interessiert. FOTO: DPA

Deutsche Pharmafirmen sind derzeit an Verkäufen oft nicht interessiert. FOTO: DPA

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Der Leverkusener Bayer-Konzern macht an der Börse wieder Boden gut. Der Kurs stieg gestern in der Spitze um mehr als 1,4 Prozent. Dies trotz der geplanten Übernahme des amerikanischen Agrarchemiekonzerns Monsanto für umgerechnet 55 Milliarden Euro. Selbst Gerüchte, Bayer werde auch fast 59 Milliarden Euro zahlen und für jede Monsanto-Aktie nicht 122, sondern 130 Dollar anbieten, vermiesten die Stimmung nicht.

Zugleich wurde spekuliert, dass Bayer nicht nur in der Agrarchemie, sondern auch im Pharmageschäft weiter zukaufen werde, sobald der Monsanto-Kauf in trockenen Tüchern sei. „Ich bin gespannt auf Bayers nächste Schritte, wenn Monsanto fliegt“, hieß es am Markt.

Nachvollziehbar wäre es. Denn die deutschen Pharmaunternehmen gehören zu den Kleinen unter den Großen der Welt. Bayer etwa erreicht mit einem Pharmaumsatz von gut 13,7 Milliarden Euro nur ein Drittel des amerikanischen Weltmarktführers Pfizer. Boehringer Ingelheim steht auf Rang 17 der 21 weltweit größten Pharmakonzerne. Merck aus Darmstadt markiert das Schlusslicht.

Viel Bewegung ist derzeit in der Branche nicht. „Big Pharma tritt – von ein paar Ausnahmen abgesehen – auf der Stelle“, sagte Gerd Stürz, Leiter der Segments Pharma bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Deren Branchenstudie sieht Umsatz, Gewinne und Investitionen in den aktuellen Bilanzen währungsbereinigt nur langsam steigen. Doch das könnte sich ändern. Immer stärker nähmen gerade die großen Medikamentenhersteller eine Wachstumslücke wahr: Die Nachfrage nach hochwertigen Präparaten steige schneller als die Umsätze der großen Anbieter. Um mit dem Gesamtmarkt mitzuhalten , müssten sie bis Ende des Jahres etwa 100 Milliarden Dollar mehr Geschäft machen. „Das ist mit der eigenen Forschung und Entwicklung nicht zu schaffen“, sagte Stürz‘ Kollege Siegfried Bialojan. Also müssten die Unternehmenskäufe zunehmen. Dabei tauschten Großunternehmen auch untereinander Geschäftsfelder aus, um sich auf ihr jeweiliges Spezialgebiet zu konzentrieren. An Verkäufen, nur um Geld zu erlösen, gebe nirgends Interesse. „Denn Geld ist ja nichts wert“, so Stürz.

Dass es so billig ist, stützt die aufkommende Kaufwelle in der Pharmaindustrie. Der Markt für Unternehmensübernahmen in der Branche hat sich schon 2014 auf gut 200 Milliarden Dollar verdoppelt. Hätte der 160 Milliarden Dollar schwere Zusammenschluss des Botoxherstellers Allergan mit dem Viagra-Konzern Pfizer Ende vorigen Jahres geklappt, wäre die Marke von 300 Milliarden Dollar übersprungen gewesen. Die Summe von 200 Milliarden Dollar jährlich werde wohl zur neuen Norm für den jährlichen Handel mit Pharmaunternehmen, schätzen die Berater von EY. Zwischen 2008 und 2013 seien es jeweils nur knapp 100 Milliarden Dollar gewesen.

Deshalb habe sich viel flüssiges Geld in den Unternehmen für diesen Zweck angesammelt. Diese „Feuerkraft“, das billige Geld, vor allem der Wachstumsdruck und die Bestrebungen in der Branche, sich auf wenige Produkte zu konzentrieren und dort Marktführer zu werden, befeuerten die angelaufene Übernahmewelle.

Ein wesentlicher Treiber sei auch die Erwartung der Geldgeber, Arbeitnehmer und anderen „Stakeholder“, aus industrieller Tätigkeit einen höheren Gewinn zu erzielen als aus schlichter Geldanlage. Deshalb scheue das Management auch Risiken.

Neue Behandlungsmethoden in der Neurologie seien medizinisch extrem wichtig, sagte Bialojan. „Sie werden aber nur vorsichtig angefasst“, weil die Risiken zu hoch seien. „Das ist ein Thema für die Biotechs“, also für kleinere, experimentierfreudigere Unternehmen, deren Pleite quasi einkalkuliert ist, wenn sie den großen Durchbruch nicht schaffen.

Die großen Konzerne konzentrieren sich weiter vor allem auf die Onkologie und zunehmend auf Infektionskrankheiten wie etwa Hepatitis B. Insgesamt forschten sie voriges Jahr an 3 770 Wirkstoffen, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der Medikamente in den späteren, zulassungsnahen Phasen sei wieder gestiegen, meldete EY.

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