Spielwaren Gleichberechtigung im Kinderzimmer

München · Spielwaren werden in Deutschland immer weiblicher und erwachsener. Mit diesen beiden Trends erklären Experten zu einem guten Teil, warum die Spielwarenbranche hierzulande trotz mäßiger Geburtenrate nun auf ihr fünftes Rekordjahr in Folge zusteuert.

 Isabella (4) und Julian (6) spielen mit einem Luftballon.

Isabella (4) und Julian (6) spielen mit einem Luftballon.

Foto: dpa

"Mädchen werden immer wichtiger", sagt Ulrich Brobeil. Während der heimische Spielzeugmarkt für Buben 2012 erstmals überhaupt mit einem Prozent auf noch gut 1,1 Milliarden Euro rückläufig war, setzt sich der Aufwärtstrend bei Mädchen fort, freut sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwaren-Industrie. Auf fast 800 Millionen Euro Umsatz bringt es mittlerweile das Geschäft mit minderjähriger weiblicher Kundschaft.

Das sind im Jahresvergleich drei Prozent mehr und verglichen mit 2008 ein sattes Plus von fast einem Fünftel. Im Kinderzimmer scheint sich also eine Art Gleichberechtigung zu vollziehen, die den männlichen Nachwuchs immer weniger bevorzugt. Große Hoffnungen ruhen für das Weihnachtsgeschäft zum Beispiel auf sensorgesteuerten fliegenden Feen. Seitens der Käuferschaft stehen Frauen mit einem Anteil von traditionell zwei Dritteln ohnehin im Zentrum.

Am Kind gespart wird hierzulande nicht. "Jedes Kind erhält im Schnitt fünf Weihnachtsgeschenke", weiß Brobeil. Mehr als die Hälfte davon sei ein Spielzeug. Das hebt die Branche von anderen Handelsbereichen positiv ab. Während der Einzelhandelsverband im Weihnachtsgeschäft nur mit einem kleinen Plus von gut einem Prozent rechnet, schätzen Spielwarenhändler ihr Wachstum auf das Dreifache.

Die Branche könnte im Gesamtjahr 2013 in Deutschland erstmals die Umsatzmarke von 2,8 Milliarden Euro knacken, schätzt Marktforscher Werner Lenzner von Eurotoys. Aufwärts gehe es für die Branche europaweit sonst nur noch in Belgien und Österreich. Für 2014 sagt er schon jetzt das sechste Wachstumsjahr in Folge voraus. Dafür ist auch eine zweite Entwicklung verantwortlich, die mit Kindern wenig zu tun hat. Die wohl höchste Zuwachsrate einer Spielwarenkategorie verzeichnen aktuell nämlich Brettspiele für Erwachsene.

Satte 15 Prozent haben sie bis Ende September zugelegt, jubelt die Fachgruppe Spiel, in der große Hersteller organisiert sind. Zwar sei auch die Zuwachsrate von Kinderspielen mit acht Prozent nicht von schlechten Eltern, meint Fachgruppenchef Hermann Hutter. Aber Spiele für Erwachsene würden derzeit alles überflügeln und den gesamten Markt für Gesellschaftsspiele wohl 2013 über die Grenze von 400 Millionen Euro hieven. Ähnlich hoch im Kurs standen zuletzt auch Baukästen. Aber das hat eine Schattenseite. Metall- und Modellbaukästen überschreiten vielfach und teils erheblich gesetzliche Grenzwerte für Nickel, worauf jedes zehnte Kind allergisch reagiert, warnt das Bundesamt für Verbraucherschutz (BfV).

87 Prozent aller untersuchten Baukästen seien unzulässig belastet, was wohl nicht nur für BfV-Chef Helmut Tschiersky "schwer ertragbar" ist. Gelaufen ist das Geschäftsjahr für die Branche, deren saisonale Umsätze sich so extrem verteilen, wie bei keiner anderen, noch keineswegs. Rund 40 Prozent ihres Jahresgeschäfts macht sie in den sechs Wochen vor Weihnachten mit einer zusätzlichen Konzentration auf die letzten Tage, speziell in diesem Jahr, wo der 23. Dezember auf einen Montag fällt. "Dieser Montag wird über das Jahresergebnis entscheiden", sagt Marktforscher Lenzner Fachhändlern und Herstellern voraus.

Entspannter können es deren Kunden angehen. Leere Regale oder steigende Preise müssen sie weder dieses noch nächstes Jahr befürchten.

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