Wirtschaft Die EU sieht endlich wieder einen Aufwärtstrend

BRÜSSEL · Von solchen Zahlen können andere nur träumen: Während Schwergewichte der EU wie Frankreich und Spanien weder ihre Verschuldung noch ihre Wirtschaft in den Griff bekommen, kann Deutschland auf eine deutlich bessere Zukunft setzen.

Das geht aus der Herbstprognose der Europäischen Kommission für die konjunkturelle Entwicklung in der Gemeinschaft hervor,d die Währungskommissar Olli Rehn gestern in Brüssel präsentierte. Demnach legt die Bundesrepublik trotz der Krise in diesem Jahr um 0,5 Prozent zu, 2014 werden es bereits 1,7 Prozent sein, 2015 kommen noch einmal 1,9 Prozent dazu. "Es mehren sich die Anzeichen, dass die europäische Wirtschaft einen Wendepunkt erreicht hat", sagte Rehn. Die Kommission sehe vielversprechende Anzeichen für eine "allmähliche wirtschaftliche Erholung", auch wenn ein durchgreifender Aufschwung noch auf sich warten lasse.

Mit einem Plus von 1,4 Prozent in der gesamten Union und 1,1 Prozent im Euro-Raum (2015: 1,9 bzw. 1,7 Prozent) "stehen die Zeichen auf Erholung", erklärte Rehn. Doch die Probleme bleiben. Da ist zum einen die nach wie vor hohe Arbeitslosen-Quote, die nur langsam und mit erheblicher zeitlicher Verzögerung sinkt: auf 10,8 Prozent in der EU sowie 11,8 Prozent in der Währungsunion bis Ende 2015 (derzeit 11,1 bzw. 12,2 Prozent). Und da sind die vielen Sorgenkinder, nicht nur im Süden der Union. Frankreich dürfte sein erklärtes Ziel, spätestens 2015 wieder die Maastricht-Ziele bei der Neuverschuldung einzuhalten, verpassen. Nach Angaben der Kommission wird Paris mit 3,7 Prozent die Stabilitätshürde sogar ziemlich heftig verfehlen. Und auch Spanien, das 2016 wieder über einen einigermaßen solide finanzierten Haushalt verfügen sollte, braucht mehr Zeit: Mit einer Neuverschuldung von 5,9 Prozent im nächsten Jahr und 6,6 Prozent in 2015 erscheint eine Rückkehr zu stabilen Verhältnissen einigermaßen illusorisch.

Der Riss zwischen wohlhabenden und notleidenden Mitgliedstaaten wird derweil immer tiefer. Während die drei baltischen Staaten nahe astronomische Wachstumsraten schon im nächsten Jahre erzielen dürften (Lettland plus 4,1 Prozent, Litauen plus 3,6 Prozent, Estland plus 3,0 Prozent), zeichnet sich für die südlichen Regionen nur wenig Erleichterung ab. Die zyprische Wirtschaft schrumpft nach Berechnungen Brüssels im kommenden Jahr um weitere 3,9 Prozent (minus 8,7 Prozent in diesem Jahr). Griechenland schafft ein minimales Plus von 0,6 Prozent. Portugal (plus 0,8 Prozent), Spanien (plus 0,5 Prozent) und Italien (plus 0,7 Prozent) kommen praktisch nicht vom Fleck. Erst für 2015 seien deutlichere Zuwachsraten wahrscheinlich, so die EU-Kommission.

Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen dafür, dass Deutschland wegen seiner Exportstärke nun auch ins Visier der Brüsseler Verwaltung gerät. Am Wochenende hatte bereits das amerikanische Finanzministerium scharfe Kritik geübt. In der kommenden Woche will Brüssel die ökonomischen Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten untersuchen. Er werde eine "analytische, keine politische Debatte führen", kündigte Rehn an. Tatsächlich hat die Kommission in allen wirtschaftlichen Fragen weitreichende Kompetenzen, die - im Falle einer formellen Rüge - sogar zu Strafzahlungen führen könnten. Gestern gab es für die Bundesrepublik nur einen kleinen Rüffel: "Deutschland muss die Binnenkonjunktur ankurbeln und seine Investitionen in die Infrastruktur erhöhen", forderte der Kommissar. Soll heißen: Die Bundesbürger sollen doch bitte mehr konsumieren. Schließlich sind die Voraussetzungen dafür nicht schlecht: Denn die Inflationsrate, die derzeit bei 1,7 Prozent liegt, wird auch im kommenden Jahr stabil bleiben und 2015 auf 1,6 Prozent zurückgehen.

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