Tourismus in der Schweiz leidet Der Franken bereitet Eidgenossen Kummer

Genf · Die Schweizer verbindet ein inniges Verhältnis zu ihrem Franken. Fast zärtlich nennen sie ihr Geld "Stutz". Die Währung gehört zum unverrückbaren Inventar der Eidgenossenschaft, genauso wie Berge und Seen, genauso wie die Direkte Demokratie und die Neu-tralität.

 Ein immer selteneres Bild: Deutsche Touristen in den Schweizer Alpen.

Ein immer selteneres Bild: Deutsche Touristen in den Schweizer Alpen.

Foto: dpa

Den Schweizern käme es nie ernsthaft in den Sinn, den Franken aufzugeben. Die Einführung eines neuen Zahlungsmittels, so wie es die Deutschen ohne großes Murren hinnahmen, wäre in Helvetien undenkbar. Die Schweizer lieben aber auch Ruhe, Verlässlichkeit und Voraussagbarkeit. Kurz: Sie wollen klare Verhältnisse. Doch ausgerechnet der Franken bereitet den Eidgenossen großen Kummer. Der geliebte Stutz hat den Nimbus der Verlässlichkeit verloren.

Der Reihe nach: Zum Ende der Nullerjahre hatten die Schweizer mit Staunen, ja Entsetzen beobachtet, wie ihr Franken gegenüber der europäischen Einheitswährung Euro immer mehr an Wert gewann. Die Wirtschaft ächzte, Ausfuhren in den Euroraum brachten immer weniger ein. Als Reaktion legte die Schweizerische Nationalbank (SNB) 2011 den Franken an die Kette, ein Mindestkurs von 1,20 sollte verteidigt werden. Die Notenbank wollte Ruhe und Verlässlichkeit erzwingen.

Doch vor einem Jahr, am 15. Januar 2015, gab die SNB auf. Das Experiment Mindestkurs war gescheitert, das Geschrei groß. Die Nationalbank habe die Schweiz verraten und verkauft - so dröhnte es von links und rechts. Heute pendelt der Kurs bei etwa 1,08 Franken für einen Euro.

Klar ist: Die Marktkräfte sind im Zeitalter der ungezügelten Finanztransaktionen einfach zu stark für Zentralbanken kleiner Länder, auch für die Schweizerische Nationalbank. Vor allem aber: Die europäische Einheitswährung bleibt, trotz vieler Schwächen, zu groß, zu massig, als dass Helvetiens Notenbanker dauerhaft erfolgreich intervenieren könnten. Die Schweizer haben es nicht in der Hand, den Wechselkurs ihrer Währung zu kontrollieren. Sie müssen mit dem Franken leben.

Sie leiden darunter, sie profitieren aber auch. Zu den größten Verlierern gehört die Tourismusbranche. Vor allem viele treue Besucher aus Deutschland machen um das Nachbarland im Süden einen großen Bogen. Die Preise in den Schweizer Ferienzielen sorgen für Entsetzen: So kostet eine normale Pizza mit Bier locker 26 Euro. Übernachtungen für eine Person in einfachen Hotels sind in vielen Regionen nicht unter 200 Euro zu haben. Die Folge: Die Schweizer Hotellerie und Gastronomie muss Personal entlassen, Herbergen schließen.

Auch exportorientierte Firmen klagen wieder. Maschinenbauer, Buchverlage und Hersteller der traditionsreichen Schweizer Taschenmesser verzeichnen massive Mindereinnahmen im Auslandsgeschäft. Das gesamte Bruttoinlandsprodukt dürfte 2015 allenfalls stagnieren. "Die deutliche Wachstumsabkühlung geht maßgeblich auf die Frankenaufwertung von Mitte Januar zurück", heißt es klipp und klar aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft.

Was des einen Leid ist jedoch auch bei den Eidgenossen des anderen Freud: Schweizer Importeure können sich de facto über mehr Geld in der Kasse freuen. Das gilt für die Industrie, aber auch für die Supermärkte. Allerdings: Nur selten geben die Geschäfte den Preisvorteil durch den starken Franken an die Kunden weiter.

Auch deshalb zieht es so viele Schweizer ins nahe Ausland. Die Einkaufstouristen können mit ihrem harten Franken in den deutschen, französischen und österreichischen Grenzregionen nach Herzenslust shoppen - und auch sogar etwas prassen.

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