Angst vor Einwandererflut Großbritannien will sich in Kampagne von schlechter Seite zeigen

LONDON · Manches ist in Großbritannien Mist: der Regen, das Essen, die hohen Mieten, die verstockte Zwischenmenschlichkeit. Darf man das laut sagen? Man darf! Die britische Regierung spielt sogar mit der Idee, alle Negativ-Seiten des Königreiches auf Plakaten in Rumänien und Bulgarien anzuprangern. Ihr Ziel: Möglichst viele Zuwanderungswillige abzuschrecken. Selten so gelacht, finden die Briten.

 Stets mieses Wetter - wer will da schon nach Großbritannien? Die Regierung versucht derzeit, die schlechten Seiten der Insel zu zeigen, um sozialschwache Einwanderer fernzuhalten.

Stets mieses Wetter - wer will da schon nach Großbritannien? Die Regierung versucht derzeit, die schlechten Seiten der Insel zu zeigen, um sozialschwache Einwanderer fernzuhalten.

Foto: dpa

Es ist furchtbar, auf der ganzen Welt so beliebt zu sein. Das wissen die Briten nicht erst seit gestern. Im Zuge der EU-Erweiterung haben sie Bürgern aus Polen freien Zugang zum Arbeitsmarkt auf der Insel gewährt und waren überrascht, wie viele Klempner und Kellner sich tatsächlich aus Breslau oder den Masuren auf den Weg nach London gemacht haben. Jetzt kündigt sich die nächste Welle der Zuwanderer an: Ab Dezember gewährt die EU Rumänen und Bulgaren die gleichen Freiheiten. Doch in Großbritannien lahmt die Wirtschaft, ächzen die Sozialkassen unter der Krise. Mehr Zuwanderung, finden die Konservativen, muss auf jeden Fall verhindert werden - und fördern aus der Trickkiste selbst skurrilste Maßnahmen.

So sollen Anti-Großbritannien-Poster Rumänen und Bulgaren noch in ihrer Heimat von einem Umzug abschrecken. Das regnerische Klima und die kläglichen Löhne auf der Insel sind als mögliche Themen der Plakataktion angedacht worden. Die Negativ-Kampagne soll den Eindruck mancher Südosteuropäer korrigieren, dass "unsere Straßen mit Gold gepflastert sind", zitiert der Guardian einen Kabinettsminister. Konkretes will die Downing Street zu einem späteren Zeitpunkt präsentieren.

Doch wer will bei so viel unfreiwilliger Satire noch länger warten? Die Briten ganz sicher nicht. Überall im Internet machen seit gestern Scherz-Poster und Schreck-Slogans die Runde. "Geht doch nach Deutschland", lautet einer, "da ist es genauso wie im Königreich, außer, dass dort alles gut funktioniert." Ein anderer hat die Müllberge auf den Bürgersteigen fotografiert - eine Szene, die typisch für Großbritannien ist, weil die Beutel am Abholtag noch per Hand auf Kipplaster geschmissen werden. "Hier erklären wir unseren Kindern, dass ?Abfall' eine Blume ist, die überall wild auf dem Asphalt sprießt", lautet die ironische Werbebotschaft. "Kommt her und putzt Klos", dichtet ein anderer Witzbold, "Großbritannien bietet jede Menge schreckliche Jobs und wir stellen sogar Ausländer ein. Herzlich willkommen!"

Die Satire-Poster für Zuwanderer nehmen vor allem Unverfängliches aufs Korn, Dinge, bei denen sich alle einig sind: der graue Himmel, die Menschenschlangen am Flughafen Heathrow ("Ganz ehrlich: Warten lohnt sich nicht.") oder das Regierungspersonal ("Der einzige Grund, dass wir bei den Politikern noch nicht das Land verlassen haben, ist das kaputte Nahverkehrssystem.").

Premier David Cameron dürfte jubeln, dass er nun gratis aus einem so großen und kreativen Pool an Inspiration schöpfen darf. Immerhin gilt es, alle positiven Marketingeffekte aus 2012 schnellstmöglich zunichte zu machen. Mit über 700 000 Euro hatte die Regierung das Image Großbritanniens im Jahr der Olympischen Spiele in neue Höhen befördert.

Das Geld ist auch in eine internationale Plakatkampagne geflossen, die charmante und typische Insel-Szenen unter dem Banner "Britain is great" zelebriert. In Rumänien und Bulgarien heißt es vielleicht stattdessen schon bald: "Britain is not so great."

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