Neues Kabinett in Österreich Sebastian Kurz als jüngster Regierungschef Europas vereidigt

Wien · Sebastian Kurz ist am Ziel. Der 31-Jährige ist neuer Kanzler Österreichs. Vor der Wiener Hofburg protestieren viele Menschen gegen die Koalition seiner ÖVP mit der rechten FPÖ.

 Bundespräsident Alexander Van der Bellen (r) vereidigt Sebastian Kurz.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen (r) vereidigt Sebastian Kurz.

Foto: Robert Jaeger

Der 31-jährige Sebastian Kurz ist neuer Regierungschef in Österreich. Bundespräsident Alexander Van der Bellen vereidigte den bisherigen Außenminister in Wien als Bundeskanzler. Kurz ist damit jüngster Regierungschef in Europa.

Er steht einem Kabinett vor, das acht Minister und Ministerinnen aus den Reihen der konservativen ÖVP und sechs Ressortverantwortliche aus den Reihen der rechten FPÖ hat. Vizekanzler ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Zum ersten Mal wird mit Herbert Kickl ein FPÖ-Politiker Innenminister und damit Chef von 30 000 Polizisten. Die Bundesregierung reagierte abwartend auf die neue rechtskonservative Führung in Wien.

Die Zeremonie in der Hofburg - dem Amtssitz des Bundespräsidenten - war begleitet von Demonstrationen. Van der Bellen mahnte in einer mehrminütigen Rede die Koalition zu einer verantwortungsvollen Politik gerade auch gegenüber Minderheiten. "Am Umgang mit den Schwächsten zeigt sich, was unsere Werte wirklich wert sind." Das Staatsoberhaupt, einst Grünen-Chef, hatte in vielen Gesprächen mit Kurz und Strache durchaus Einfluss auf das Regierungsprogramm genommen.

Für ihn war unter anderem eine außenpolitische Kontinuität wichtig. Auch auf Druck der ÖVP hat sich die FPÖ trotz aller Kritik an Brüssel zu einem grundsätzlichen EU-Bekenntnis verpflichtet. Van der Bellen rief die Regierung auch zu einem achtsamen Sprachgebrauch auf. "Es ist nicht gleichgültig, mit welchen Worten wir in die Öffentlichkeit gehen." Die FPÖ hatte immer wieder auch im Internet mit vereinfachenden Parolen Stimmung gegen Ausländer gemacht.

Der Kampf gegen die illegale Migration ist eines der Hauptthemen der neuen Koalition. Dazu sollen viele Maßnahmen beschlossen werden, die die Unterscheidung von Wirtschaftsflüchtlingen und wirklich Schutzberechtigten erleichtern sollen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, sie werde verfolgen, wie die "europapolitische Positionierung" Österreichs aussehen werde. SPD-Chef Martin Schulz reagierte mit Besorgnis auf die neue Regierung in Österreich, positive Kommentare gab es hingegen von der CSU.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hofft auf einen europafreundlichen Kurs der neuen Regierung. Kurz wird an diesem Dienstag zum Antrittsbesuch in Brüssel erwartet.

Die israelische Regierung kündigte an, die Zusammenarbeit mit Ministern des rechten Koalitionspartners FPÖ auszusetzen. "Vorläufig wird Israel den Kontakt auf Arbeitsebene mit den Ministerien aufrecht erhalten, in denen Minister der Freiheitlichen Partei dienen", teilte das Außenministerium mit. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe zudem angewiesen, zu überprüfen, wie sich Israel künftig gegenüber der neuen Regierung in Wien verhalten solle.

Kurz folgt als Bundeskanzler dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen SPÖ, Christian Kern. Der ehemalige Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) hatte im Mai 2016 die Regierungsgeschäfte übernommen und muss nun nach nur 580 Tagen im Amt abtreten. Er will als Oppositionsführer die Regierung kontrollieren.

Mit lauten Sprechhören und einem Pfeifkonzert reagierten nach Polizeiangaben rund 6000 Demonstranten auf die schwarz-blaue Regierung. Vereinzelt wurden auch Gegenstände geworfen. Die Polizei hatte das Areal rund um die Wiener Hofburg weiträumig abgesperrt. Ein Großaufgebot von Beamten war im Einsatz. Die Demonstranten aus der linken Szene skandierten Parolen wie "Nazis raus" und "Wir wollen keine Nazi-Schweine".

Die Österreichische Volkspartei ÖVP ist bereits 31 Jahre lang ununterbrochen in der Regierung vertreten. Zuletzt stellte sie mit Wolfgang Schüssel den Kanzler ebenfalls in einer ÖVP-FPÖ-Regierung im Jahr 2000. Damals hagelte es internationale Proteste wegen der Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten.

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