Populisten-Allianz gescheitert Finanzexperte Cottarelli soll Italien zur Neuwahl führen

Rom · Italien soll mal wieder von einem Technokraten aus einer Regierungskrise geführt werden. Doch dagegen steht die wachsende Wut der populistischen Parteien. Die könnten es nun auf einen Machtkampf mit dem Staatspräsidenten ankommen lassen.

 Carlo Cottarelli, designierter Ministerpräsident von Italien, nach einem Treffen mit Präsident Mattarella.

Carlo Cottarelli, designierter Ministerpräsident von Italien, nach einem Treffen mit Präsident Mattarella.

Foto: Alessandro Di Meo/ANSA/AP

Nach dem Scheitern der geplanten Populisten-Koalition in Italien soll der Finanzexperte Carlo Cottarelli das angeschlagene Land zu einer Neuwahl führen.

Staatspräsident Sergio Mattarella beauftragte den ehemaligen Direktor beim Internationalen Währungsfonds (IWF) an diesem Montag, eine Expertenregierung zu bilden. Da diese aber wahrscheinlich keine Zustimmung im Parlament bekommt, könnte schon ab September wieder gewählt werden. Die Finanzmärkte reagierten nervös auf die weiter unsichere Lage in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone.

Mit der Personalie hofft Mattarella, die unruhigen Märkte zu stabilisieren und das Vertrauen in Italien wiederherzustellen. Vor allem versprochene Steuersenkungen und ein Grundeinkommen würden das hoch verschuldete Land weiter belasten. Diese hatte die europakritische Allianz zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtspopulistischen Lega in Aussicht gestellt. Das Bündnis war am Sonntag mit einer Regierungsbildung gescheitert. Mattarella hatte sich geweigert, den Euro- und Deutschland-Kritiker Paolo Savona zum Finanzminister zu ernennen.

Die Sterne drohten nun mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen Mattarella, weil sie sein Vorgehen für undemokratisch halten. Die Lega schloss sich der Kritik an: "Das ist keine Demokratie, das ist kein Respekt vor der Wahl des Volkes", sagte Parteichef Matteo Salvini. Er rief zum Wahlkampf auf. Sterne-Chef Luigi Di Maio sprach von der "dunkelsten Nacht der italienischen Demokratie" und rief für kommenden Samstag - dem Nationalfeiertag Italiens - zu einer großen Demonstration in Rom auf. Sterne und Lega kündigten an, einer "Technokratenregierung" im Parlament nicht zuzustimmen. Die Parteien haben in beiden Parlamentskammern eine Mehrheit.

Cottarelli sagte, wenn er im Parlament das Vertrauen bekomme, werde er das Haushaltsgesetz durchbringen. Dann könnte Anfang 2019 gewählt werden. Bekomme er keine Zustimmung im Parlament, würde eine "sofortige" Neuwahl angepeilt - das könnte "nach August" passieren. Befürchtet wird allerdings, dass eine Neuwahl auch kein klareres Ergebnis bringt.

Cottarelli versicherte, Italiens Zugehörigkeit in der Euro-Zone und den Haushalt in Ordnung zu halten. Der Norditaliener ist parteilos und war von 2008 bis 2013 Direktor beim Internationalen Währungsfonds. Außerdem diente der 1954 geborene Cottarelli in einer Regierung unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsident Enrico Letta als "Sparkommissar".

Matarellas Entscheidung sorgte am Montag nur zum Handelsbeginn für etwas Entspannung an den Finanzmärkten. Bis zum Mittag trübte sich die Stimmung wieder stark ein. Die Renditen von italienischen Staatsanleihen - ein Maß auch für die Risikoeinschätzung - stiegen an, der Euro gab seine Gewinne wieder ab, der italienische Aktienmarkt drehte ins Minus.

Regierungsvertreter von EU-Partnerstaaten hofften auf eine europafreundlichere Entwicklung in Italien. "Wir konnten uns auf Italien immer verlassen als ein integrationsfreundliches Land, mit dem wir sehr eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet haben", sagte der deutsche Europastaatsminister Michael Roth (SPD).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte einer neuen italienischen Regierung ihre Zusammenarbeit zu. Deutschland wolle mit jeder Regierung in Rom kooperieren, dabei müssten aber die "Prinzipien" der Eurozone respektiert werden, sagte sie in Berlin.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lobte den "Mut" seines italienischen Amtskollegen Mattarella. Er wolle seine Freundschaft und Unterstützung für Mattarella bekräftigen, sagte Macron in Paris. Dieser habe eine "entscheidende Aufgabe auszuführen, die der institutionellen und demokratischen Stabilität seines Landes".

Die Sterne, die sich weder links noch rechts verorten, hatten bei der Wahl am 4. März 32 Prozent bekommen und waren stärkste Einzelpartei geworden. Die fremdenfeindliche Lega hatte in einer Mitte-Rechts-Allianz 17 Prozent bekommen, das gesamte Bündnis kam auf 37 Prozent. Beiden fehlte die Mehrheit. Ihr gemeinsamer, parteiloser Kandidat für das Ministerpräsidentenamt, Giuseppe Conte, hatte am Sonntag nach nur vier Tagen den Regierungsauftrag zurückgegeben.

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