Vizeadmiral Manfred Nielson Stabwechsel auf der Hardthöhe

Bonn · Er wird schon bald einen der fünf höchsten militärischen Dienstposten der Nato bekleiden - und zwar als erster Deutscher: Manfred Nielson, Chef des Kommando Streitkräftebasis auf der Hardthöhe, wechselt nach Norfolk in die USA. Jasmin Fischer sprach mit ihm über Katastrophen, Verantwortung und Erfolge.

 Weist auf die vielen Arbeitsplätze hin, die die Bundeswehr in der Region schafft: Manfred Nielson. Er hat die Streitkräftebasis aufgebaut.

Weist auf die vielen Arbeitsplätze hin, die die Bundeswehr in der Region schafft: Manfred Nielson. Er hat die Streitkräftebasis aufgebaut.

Foto: Bundeswehr

Sie haben vor rund dreieinhalb Jahren das Kommando Streitkräftebasis (SKB) mit rund 10.000 Mitarbeitern im Großraum Bonn auf die Hardthöhe geholt. Für viele Bonner ist das Kommando trotzdem noch ein Buch mit sieben Siegeln. Was macht das SKB?
Manfred Nielson: Es ist das bundesweite militärische Dienstleistungszentrum der Bundeswehr. Vor Ort befinden sich Spezialisten aus allen Truppengattungen, dem Heer, der Marine, der Luftwaffe. Von der Hardthöhe aus werden die 40.000 Soldaten und 10.000 zivilen Mitarbeiter in der ganzen Bundesrepublik gesteuert. Ich sage immer: Alles, was Sie nicht auf den ersten Blick Heer, Luftwaffe, marine oder Sanität zuordnen können, ist mit größter Wahrscheinlichkeit in der Streitkräftebasis. Zu uns gehört zum Beispiel die gesamte Logistik aller Streitkräfte, die Katastrophenhilfe, aber auch Aufklärung, IT, die Diensthundeausbildung, die Militärmusik und das Polizeiwesen, also die Feldjäger.

Ein Rückblick auf drei Jahre Streitkräftebasis zeigt: Sie hatten jedes Jahr eine Groß-Lage zu bewältigen.
Nielson: Das stimmt. Die Bundeswehr hat 2013 beim Hochwassereinsatz geholfen, 2014 in Düsseldorf und Essen nach den Verwüstungen des Pfingststurms. Dieses Jahr haben wir Bayern bei der Durchführung des G7-Gipfels unterstützt. Nebenbei hat die SKB die Rückverlegung sämtlichen technischen Geräts aus Afghanistan bewältigt. Und zurzeit helfen wir mit Unterkünften, Betten und rund 4000 Soldaten in der Flüchtlingskrise. Koordiniert wird das alles auf der Hardthöhe.

Wie sieht bei einer solchen Großlage der Arbeitstag eines Inspekteurs aus?
Nielson: Wenn der Umgang mit den Folgen einer Katastrophe die Fähigkeiten der Länder übersteigt, erhalten wir ein Amtshilfeersuchen. Damit werden vielleicht, wie nach den Pfingstunwettern, Soldaten mit Kettensägen oder schwerem Gerät gefordert. Wenn den Städten die Planierraupen ausgehen, können wir mit Bergepanzern aushelfen. Für unzugängliche Gebiete setzen wir Hubschrauber ein. Morgens halten wir eine Lagebesprechung, um zu sehen, was wir leisten können. Das Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin ist unser Arbeitsmuskel und mir direkt unterstellt. Dann muss sondiert werden, was ich entscheiden kann und was die Bundesministerien koordinieren müssen. Das Lagezentrum ist 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche besetzt. Alle Weisungen werden hier erteilt.

Gehört es zum Erfolg eines Generals, dass er mit wenig Schlaf auskommt?
Nielson: Mit den Vorgaben der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie komme ich in solchen Situation sicherlich nicht aus, aber das ist auch nicht mein persönlicher Anspruch. Ich will meinen Dienst bestmöglich erledigen.

Katastrophenhilfe, Flüchtlinge, Auslandsmissionen, Manöver, vielleicht Einsätze in der Ukraine und in Syrien - übernimmt die Bundeswehr sich?
Nielson: Die Bundeswehr kann nicht alle Probleme der Welt lösen und sie steht - wie ganz Deutschland - vor einer ungünstigen demografischen Entwicklung. Bei der Nachwuchsgewinnung konkurrieren wir mit der Industrie um die klügsten Köpfe. Da hilft es nicht, dass die Bundeswehr das einzige "Unternehmen" in Deutschland mit 70 Prozent Zeitverträgen ist. Das ist ein Nachteil. Ich würde aber nicht sagen, dass die Bundeswehr zurzeit überfordert ist. Ob man sich aber die vielen Bundeswehr-Benefizkonzerte, die wir ja gerne geben, noch leisten kann, wenn wir die Europäische Arbeitszeitrichtlinie umsetzen müssen, ist dann im Einzelfall sicherlich fraglich.

Sie übernehmen nun einen der fünf höchsten Dienstposten der Nato - es ist das erste Mal, dass ein Deutscher überhaupt so weit aufsteigt. Wie funktioniert eine solche Bilderbuchkarriere?
Nielson: Man muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, fleißig zu sein, auch Entbehrungen auf sich zu nehmen. Aber zur Kompetenz gehört auch ein Quäntchen Glück. Es gibt immer sieben, acht andere, die diese Förderung genauso verdient hätten wie man selbst.

Verantwortung ist ein großes Wort. Was heißt das konkret?
Nielson: Nehmen Sie den Fall des Oberst, der in Afghanistan unter Zeitdruck und mit mangelhafter Informationslage die Entscheidung zu treffen hat, ob er einen Konvoi von entführten Tanklastzügen, die auf sein Lager zusteuern, angreifen lässt - oder nicht. Das sind einsame Entscheidungen. In der Rückschau finden sich immer bessere Lösungen als im fraglichen Moment. Aber als Soldat trägt man die Verantwortung. Auch in viel kleineren Dimensionen.

Die Bundeswehr hat 180.000 Soldaten, aber nur 200 Generäle und Admirale wie Sie. Da muss es noch weitere Zutaten zum Erfolg geben. Was raten Sie jungen Anwärtern auf Führungspositionen?
Nielson: Ich finde, dass zur Führung auch Mut und Zivilcourage gehört. Ein Chef muss sich auch vor seine Männer und Frauen stellen und offen sagen, was ihnen möglich ist und was nicht mehr. Und: Nicht der tolle Einzelkämpfer hat den größten Erfolg, sondern der, der sein Team so gut geführt hat, dass es ihn erfolgreich sein lässt.

Man sieht Sie manchmal, wie Sie zur Hardthöhe radeln, obwohl Sie doch sicher Anspruch auf eine Dienstlimousine haben. Ist Bodenhaftung wichtig?
Nielson: Ich schätze es, wenn man auch in hoher Verantwortungsebene noch so fit ist, wie man es sich für einen Soldaten vorstellt. Sport ist gut - und auf dem Rückweg durch den Kottenforst kann ich den Tag noch einmal Revue passieren lassen. Normal bleiben ist auf jeden Fall wichtig. Ich brauche kritische Geister um mich herum, die keine Angst haben, mir zu sagen, wenn ich falsch liege oder wem ich gerade auf den Fuß getreten habe.

Welche Aufgaben erwarten Sie bei der Nato?
Nielson: Im Kern geht es darum, die Nato trotz knapper werdender Ressourcen aller Mitgliedsstaaten zukunftsfest zu machen - etwa durch Kooperationen.

Was werden Sie an Bonn vermissen?
Nielson: Bonn ist wunderschön, und die Offenheit der Rheinländer, die uns etwa im Juni beim 1. Tag der Bundeswehr auf dem Marktplatz begegnet ist, beeindruckt mich. Für unseren Lebensabend werde ich mit meiner Frau hierher zurückkehren. Die vielen tollen Frauen und Männer bei der Streitkräftebasis werden mir ebenfalls fehlen - ihre kleinen Gesten, ihr Zuspruch, all das macht mir den Abschied sehr schwer.

Gibt es einen unerfüllten Wunsch?
Nielson: Ich würde mir wünschen, dass die Bonner nicht nur auf die Ministerien schauen und die vielen Stellen, die von dort abwandern, sondern die Bundeswehr mehr ins Herz schließen. Denn die Streitkräfte haben mehr Arbeitsplätze nach Bonn verlagert, als Jobs aus Ministerien nach Berlin abgezogen worden sind.

Zur Person

Vizeadmiral Manfred Nielson (60) verabschiedet sich am 6. Oktober als Inspekteur der Streitkräftebasis. Er trat 1973 als Reserveoffiziersanwärter in die Marine ein und studierte später an der Bundeswehr-Hochschule Wirtschaftswissenschaften. Bereits in den Achtzigern und Neunzigern arbeitete Nielson im Verteidigungsministerium in Bonn. Zuletzt engagierte Nielson sich auch im Arbeitsstab Strukturreformen der Bundeswehr.

Seinen jetzigen Posten als Inspekteur der Streitkräftebasis gibt er ab an Generalleutnant Martin Schelleis. Nielson wird 2016 "Deputy Supreme Allied Commander Transformation" der Nato in den USA und bereitet sich ab sofort auf seine neue Verwendung vor.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort