"Es gibt keine Hinterzimmer-Gespräche" Präsident der Bundesnetzagentur Jochen Homann im Interview

Bonn · Die Bundesnetzagentur wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. In den ersten Jahren war sie als Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post bekannt. Mit dem Präsidenten der Bonner Behörde sprach Claudia Mahnke.

Den Posttower im Blick: Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, in seinem Büro im Tulpenfeld.

Den Posttower im Blick: Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, in seinem Büro im Tulpenfeld.

Foto: Benjamin Westhoff

Im Bundeswirtschaftsministerium war man vor 20 Jahren der Ansicht, die Behörde brauche man nur für fünf bis zehn Jahre. Wann schafft sich die Bundesnetzagentur denn ab?

Jochen Homann: Die Idee war, dass wir uns durch gute Arbeit selbst überflüssig machen. Dann haben wir so gute Arbeit geleistet, dass wir weitere Aufgaben dazu bekommen haben und gewachsen sind. Ich gehe fest davon aus, dass wir auch das 30-jährige Jubiläum feiern werden.

Drückt sich denn die Zunahme an Aufgaben auch an der Zahl der Stellen aus?

Homann: Gar nicht so stark, wie man denken könnte. Wir sind vor 20 Jahren mit 2800 Stellen gestartet. Heute haben wir 2900 an fast 50 Standorten. Wir erledigen die zusätzlichen Aufgaben für Strom, Gas und Bahn also mit fast der gleichen Stellenzahl. Wir sind offenbar sehr effizient. Rund 1000 Kolleginnen und Kollegen arbeiten übrigens in Bonn, hier sind wir in den letzten Jahren sehr stark gewachsen.

Die Bundesnetzagentur ist für den Wettbewerb auf den fünf Netzmärkten Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnverkehr verantwortlich. Auf welchen der Märkte hat Ihre Behörde die größten Erfolge erzielt?

Homann: Sehr große Erfolge haben wir sicherlich auf dem Telekommunikationsmarkt erreicht: Es gibt hier intensiven Wettbewerb. Die Preise fürs Telefonieren sind in den letzten 20 Jahren enorm gesunken. Damals waren Ferngespräche schnell sehr teuer, heute achtet niemand mehr darauf, wie lange er telefoniert. Auch auf dem Strom- und Gasmarkt profitieren die Verbraucher heute vom Wettbewerb und zahlreichen Angeboten.

Wie groß ist der Einfluss der Politik auf Ihre Arbeit?

Homann: Wir sind ständig mit Politikern im Gespräch. Aber ich habe es in sechs Jahren nicht erlebt, dass mir ein Politiker Vorschriften machen wollte. Das würde auch kaum gehen, denn wir sind eine unabhängige Behörde.

Große Unternehmen haben auch große Lobbyabteilungen. Auf welche Weise versuchen die Unternehmen, sie von der Richtigkeit Ihrer Argumente zu überzeugen?

Homann: Die Unternehmen vertreten natürlich ihre Interessen. Manchmal auch mit gehörigem Druck. Aber auch hier gilt: Es gibt keine Hinterzimmer-Gespräche. Auch wenn der Firmenchef selbst kommt, bedeutet das nicht, dass die Entscheidung zu seinen Gunsten ausgeht. Wir machen uns ein unabhängiges Bild und sind dabei nur dem Gemeinwohl verpflichtet. Und machen unsere fachlichen Erwägungen in unseren Entscheidungen auch sehr transparent.

Welche Veränderungen erwarten Sie auf dem Telekommunikationsmarkt, wenn die Übernahme von Unitymedia durch Vodafone genehmigt werden sollte?

Homann: Der Wettbewerbsdruck auf andere Unternehmen wird natürlich steigen. Das ist gut, weil es den Glasfaserausbau antreibt. Völlig unabhängig von der Fusion schauen wir uns auch an, ob auch das TV-Kabel in bestimmten Regionen mittlerweile eine marktbeherrschende Position hat. Dann müsste sich Vodafone mit dem Thema Regulierung anfreunden. Da würden wir Vodafone nicht anders behandeln als die Telekom.

Durch die Umstellung auf Glasfasernetze steht der Telekommunikationsmarkt vor großen Veränderungen. Sie plädieren für eine Umstellung der Regulierung auf eine Überprüfung im Nachhinein.

Homann: Das haben wir vorgeschlagen und entwickeln Konzepte dafür. Es ist etwas anderes, ein bestehendes Netz zu öffnen, als ein Neues zu entwickeln. Ich kann mir vorstellen, dass wir uns bei den Glasfasernetzen ein gutes Stück aus der Regulierung zurückziehen und uns auf eine Missbrauchsaufsicht beschränken.

Gibt es dafür Rückhalt aus der Politik?

Homann: Solche Überlegungen finden sich auch im Koalitionsvertrag. In Brüssel, wo manche daran denken, unter dem Stichwort "Regulierungsferien" zeitweise völlig auf Regulierung zu verzichten, muss allerdings noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Unternehmen brauchen langfristige Planungssicherheit und keine Regulierungspausen.

Der Telekommunikationsmarkt ist für die Verbraucher sehr unübersichtlich geworden. Ist das der Grund dafür, dass bei Ihnen der Verbraucherschutz stärker im Vordergrund steht?

Homann: Es war eine bewusste Entscheidung, den Verbraucherschutz stärker nach vorne zu stellen. Denn wir machen das Ganze ja letztlich für den Verbraucher. Und viele wissen bislang kaum, was wir alles tun. Wir können zum Beispiel helfen, wenn der Wechsel des Anbieters nicht klappt. Und man kann sich an uns wenden, wenn man sich von unerlaubten Werbeanrufen belästigt fühlt. Auf der anderen Seite ist das aber auch ein zweischneidiges Schwert: Je bekannter wir werden, desto mehr Beschwerden gibt es.

Einer ihrer Vorgänger, Klaus-Dieter Scheurle, wurde bundesweit bekannt, als er 2000 die UMTS-Mobilfunklizenzen versteigerte - und dafür rund 50 Milliarden Euro für die Staatskasse einstrich. Könnte es zu ähnlichen Dimensionen kommen, wenn die Frequenzen für die nächste Mobilfunkgeneration 5G versteigert werden?

Homann: Es ging auch Herrn Scheurle nicht um maximale Erlöse. Das hat sich damals durch das Bietverhalten der Unternehmen, das vielleicht nicht besonders klug war, so entwickelt. Das Ziel der Agentur war immer, dass die Frequenzen dahin kommen, wo sie am besten genutzt werden können. In einer Auktion können die Unternehmen entscheiden, was ihnen die Frequenzen wert sind.

Eigentlich sollten die Frequenzen ja schon in diesem Jahr versteigert werden. Warum kam es zu der Verzögerung auf Frühjahr 2019?

Homann: Ich kann keine Verzögerung erkennen. Wir wollten immer bis Ende des Jahres klären, wie die Bedingungen für die Versteigerung aussehen. Die findet dann Anfang 2019 statt.

Es gibt also keinen Streit?

Homann: Nein, es sind noch offene Punkte zu klären. Das ist bei der Vielzahl unterschiedlicher Interessen aber auch normal. Über den Sommer wollen wir mögliche Auflagen zur Verbesserung der Mobilfunkversorgung und die Auktionsregeln klären.

Streit gibt es um die UKW-Radioübertragung. Die neuen Sendernetzbetreiber konnten sich noch nicht mit den neuen Eignern der UKW-Antennen über die Konditionen für den Zugang einigen. Müssen Sie dort einschreiten?

Homann: Klar ist: Dieser Streit darf nicht auf dem Rücken der Hörerinnen und Hörer ausgetragen werden. Und UKW wird ja auch für Katastrophenwarnungen genutzt. Deshalb darf es nicht zu einer Abschaltung der Sender kommen. Wir hoffen, dass die Unternehmen sich noch zu einem Kompromiss durchringen können.

Und wenn das nicht gelingt?

Homann: Wir ermitteln bereits die Marktverhältnisse und werden marktmächtige Anbieter einer Regulierung unterwerfen. Wer dies nicht will, muss sich an Kompromissen beteiligen.

Die Zahl der Verbraucherbeschwerden über den Postmarkt ist im vergangenen Jahr stark angestiegen. Sie haben aber wenig Handlungsmöglichkeiten, weil viele Firmen nicht an den Schlichtungsverfahren teilnehmen. Haben Sie Hoffnung, dass die Politik Ihnen schnell die Möglichkeiten dazu verschafft?

Homann: Ja, das hoffe ich. Wie schnell das geht, wissen wir natürlich nicht. Aber es ist schon sehr bedauerlich, dass viele Unternehmen bereits in ihren Geschäftsbedingungen ausschließen, dass sie an unseren Schlichtungsverfahren teilnehmen.

Es gibt seit vielen Jahren genaue Vorschriften, wie viele Briefkästen und Postagenturen es geben muss. Ist es angesichts zunehmender Digitalisierung Zeit, diese Vorgaben aufzuweichen?

Homann: Wir haben dazu eine Verbraucherbefragung durchgeführt, um uns selbst ein Bild der Bedürfnisse der Menschen zu machen. Grundsätzlich verzeichnen wir eine große Zufriedenheit mit dem Ist-Zustand. Ich habe daher nicht den Eindruck, dass wir bei den Vorschriften gravierende Anpassungen vornehmen sollten.

Seit 2005 ist die Bundesnetzagentur auch für Strom- und Gasnetze zuständig. Dort scheint es nicht so viele Verbraucherbeschwerden zu geben. Woran liegt das?

Homann: Im Energiebereich liegen wir trotz oder wegen einer einigermaßen gut funktionierenden Schlichtungsstelle der Branche auch bei etwa 15.000 Anfragen und Beschwerden. Einige Probleme des Telekommunikationsmarktes haben wir hier aber nicht. Die Wechselprozesse laufen bei Strom und Gas wirklich sehr gut. Ich mache das selber regelmäßig: Das geht ziemlich reibungslos mit wenigen Klicks.

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