Kommentar zum Jahr 2017 Zeit der Chancen

Meinung | Bonn · 2017 wird ein Jahr der Unsicherheit. Und es bringt uns vermutlich jeden Tag viel Gelegenheit, all die ungelösten Fragen einmal nicht mit dem Gestus eines bevorstehenden Weltuntergangs zu diskutieren.

 Die Jahreszahl 2017, mit Wunderkerzen vor dem Brandenburger Tor in Berlin in die Luft geschrieben.

Die Jahreszahl 2017, mit Wunderkerzen vor dem Brandenburger Tor in Berlin in die Luft geschrieben.

Foto: dpa

Was für ein Jahr 2016! Beinahe jede Woche brachte Nachrichten, die weit mehr von uns forderten, als eine kurze Notiz. Die Welt hat sich verändert. Zum Besseren, zum Schlechteren? Niemand kann es wirklich sagen, denn niemand kann in die Zukunft schauen. Klar ist nur, dass uns eine Menge Gewissheiten abhanden gekommen sind.

Europa galt als manchmal etwas seltsam und nicht immer auf der Höhe der öffentlichen Meinung. Dass es so tief in eine Krise rutschen würde, hat niemand vorhergesehen. Amerika war immer die Demokratie mit der bewundernswerten Fähigkeit, sich neu zu erfinden. Wer hätte geglaubt, dass dort der Kleinmut siegt? Begleitet hat uns die Flüchtlingskrise. Begleitet hat uns der Krieg im Nahen Osten, hat uns der Terror und die Einsicht, dass viele Probleme derzeit gar nicht zu lösen sind.

All das nehmen wir mit. 2017 wird ein Jahr der Unsicherheit, denn wie Donald Trump wirklich regiert, was das für Europa und für Deutschland heißt, erfahren wir erst im neuen Jahr. Frankreich wird einen neuen Präsidenten wählen, und das Ergebnis entscheidet darüber, wie es mit Europa und wie es mit Deutschland weitergeht. Europa ohne die Achse Paris Berlin ist kaum vorstellbar. Kann sein, dass sie zerbricht. Der Terror hat uns weiter fest im Griff und die Frage nach der Integration der Flüchtlinge, nach der Sicherheit unserer Grenzen.

Wir haben inzwischen gelernt, welche Folgen Bürgerkriege in Afrika für uns haben können, welche Auswirkungen der unerklärte Krieg zwischen den Kurden und den Türken, der Krieg in Syrien – und wir haben weiter keine einfachen Antworten, die viele gerne hätten. Ach ja, gewählt wird auch noch bei uns – und das gleich zwei Mal. Müssen wir dem Weltuntergang ins Auge schauen? Früher war alles besser, denken viele, aber sie haben nur ein kurzes Gedächtnis. Vor 100 Jahren hungerte Deutschland im so genannten Steckrübenwinter, weil der Erste Weltkrieg tobte und eine Handelsblockade das Land lähmte. Millionen Menschen starben.

Vor 75 Jahren strebte die Schlacht zwischen Deutschland und der Sowjetunion ihrem finsteren Ende entgegen. Der Winter 1941/42 brachte die Wende gegen Nazi-Deutschland. Millionen starben und es dauerte noch Jahre und Jahrzehnte, um zu Frieden und Versöhnung zu kommen.

Vor 50 Jahren herrschte Eiszeit zwischen Ost und West und Atomarsenale unvorstellbarer Sprengkraft bedrohten die Erde. Gefochten wurde in Vietnam, wo Hunderttausende starben. Vor 25 Jahren schlitterte Deutschland gerade in die große Krise nach der Vereinigung und bemühte sich gleichzeitig, die Folgen des Zusammenbruchs der Sowjetunion in den Griff zu bekommen.

Und heute? Wir leben in sicheren Grenzen, niemand muss hungern oder in sinnlosen Kriegen kämpfen. Wir haben einen enormen Wohlstand angehäuft, die Arbeitslosigkeit sinkt weiter und die Prognosen für das kommende Jahr versprechen eine positive Entwicklung. Es ist nicht alles in Ordnung, aber Deutschland geht es verhältnismäßig gut, es könnte sogar glücklich sein. Wenn es denn wollte.

Das neue Jahr bringt uns vermutlich jeden Tag viel Gelegenheit, all die ungelösten Fragen einmal nicht mit dem Gestus eines bevorstehenden Weltuntergangs zu diskutieren. Das entspräche der Realität und es wäre damit schon eine Menge gewonnen. Machen Sie mit?

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