Arbeitsmigranten aus den Philippinen "Wirtschaftshelden" für die Regierung, aber von der Verwandtschaft ausgenutzt

PATTAYA · Es ist Sonntagmorgen, Teresas freier Tag. Dennoch ist die Filipina, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, schon um acht Uhr morgens auf den Beinen. Knapp zwei Stunden benötigt sie, um sich ausgehfertig zu machen für das sonntägliche Ereignis, auf das Tausende von Landsleuten in dem südostasiatischen Stadtstaat Singapur jede Woche warten.

 Ein philippinisches Hausmädchen schiebt einen Rollstuhl in Taipeh.

Ein philippinisches Hausmädchen schiebt einen Rollstuhl in Taipeh.

Foto: dpa

Der Bürgersteig rund um das Einkaufszentrum Lucky Plaza an der Ecke der Scotts und Orchard Road ist der Treffpunkt, an dem Teresa Kolleginnen aus der Heimat trifft und der neueste Klatsch über die Arbeitgeber ausgetauscht wird. In den fünf Etagen mit Geschäftsräumen von Lucky Plaza etablierte sich längst ein kompletter Servicesektor, der fast ausschließlich Dienste für Arbeitsmigranten aus den Philippinen anbietet.

Es gibt Friseursalons, in denen das Personal Tagalog, die mit spanischen Sprengeln versehene Landessprache, beherrscht. In Kramläden besteht das Angebot vom Haarwaschmittel bis zu Süßigkeiten nur aus philippinischen Produkten. An der Nachrichtenbörse Lucky Plaza gibt es nicht nur Neuigkeiten über freie Stellen.

Hier erfährt Teresa auch Dinge aus ihrer Heimatprovinz Luzon, die ihr von der eigenen Verwandtschaft nicht mitgeteilt werden. So hörte die 45-jährige Mutter eines mittlerweile erwachsenen Sohnes die Geschichte, die sie nur ungern erzählt: Während sie in Singapur schuftete, machte sich der Vater ihres Sohnes ein schönes Leben, kündigte seinen Job und holte sich eine Geliebte ins Haus. Teresa brach fast alle Brücken in die Heimat ab und überweist jetzt nur noch Geld auf ein Konto ihres Sohnes.

"Es geht vielen von uns so", sagt Teresa, "wir arbeiten im Ausland, und zu Hause machen sie sich ein schönes Leben mit unserem Geld." Untersuchungen haben gezeigt, dass keineswegs die Ärmsten der Armen Verwandte ins Ausland schicken. Sie können die Kosten für Gebühren, Arbeitsvermittler und Visa gar nicht aufbringen.

Ein großer Teil der insgesamt neun Millionen Filipinos, die im Ausland arbeiten und die rund zehn Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen, sind Menschen mit guter Ausbildung. Sie werden wegen ihrer englischen Sprachkenntnisse und notorisch guten Laune nahezu in der ganzen Welt geschätzt.

Deshalb will auch die deutsche Bundesregierung 500 Krankenschwestern und Pfleger im Rahmen eines zwischen der Bundesregierung und Manila vereinbarten Programms namens "Triple Win" nach Deutschland holen. Als erstes flatterten angesichts der vergleichsweise hohen deutschen Löhne knapp 5000 Bewerbungen auf den Tisch der staatlichen Vermittlungsagentur der "Philippines Overseas Employment Administration" (POEA).

Inzwischen ist die Zahl der aussichtsreichen Bewerbungen angesichts der Auswahlkriterien wie Kenntnisse der deutschen Sprache auf 34 geschrumpft. Aber nur etwa 2,2 Millionen der im Ausland arbeitenden Filipinos nehmen den Weg über die staatliche Vermittlung. Häufig fallen Arbeitswillige auf unseriöse Schlepper herein - oder landen im Nahen Osten auf Baustellen oder in Haushalten, in denen sie misshandelt werden.

Trotz aller schlechten Erfahrungen wird in philippinischen Familien massiver Druck ausgeübt, um vor allem jüngere Familienmitglieder zu bewegen, sich auf Jahre im Ausland zu verpflichten. Laut Untersuchungen der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2005 wurden sogar Mädchen, die jünger als 18 Jahre waren, von Brüdern und Vätern gezwungen, sich als "Overseas Performing Artists" (Übersee-Künstler) zu verdingen.

Dabei war den Männern klar, dass sich hinter dem wohlklingenden Begriff oft der Weg in die Prostitution in Japan oder Südkorea verbarg. Selbst die der katholischen Kirche nahestehende frühere Präsidentin Gloria Arroyo erleichterte diese Form von Nötigung. Ihre Regierung senkte das Mindestalter für sogenannte "Künstler" von 18 auf 15 Jahre.

Die Regierung der Philippinen feiert die neun Millionen Landsleute, etwas mehr als die Hälfte sind Männer, im Ausland am liebsten auch heute noch als "Wirtschaftshelden". Denn in diesem Jahr werden sie über 21 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland in die Heimat schicken. Nach den Ausfuhren sind die Überweisungen der Filipinos im Ausland damit zum zweitwichtigsten Devisenbringer des Landes geworden.

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