EU-Wahlen Wer wird Kommissionspräsident?

Brüssel · Ob ein bayerischer Christdemokrat neuer Kommissionschef werden kann, ist noch längst nicht raus. Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs an diesem Dienstag in Brüssel will nur das weitere Verfahren klären.

Es war nur eine Kleinigkeit, die aber einigen Besuchern der nächtlichen Wahlparty auffiel. Als Manfred Weber, der Spitzenkandidat der Christdemokraten, im Kreis der Europäischen Volkspartei ans Mikrofon trat, sprach er zwar von einem „großen Erfolg“, weil seine Parteienfamilie erneut zur stärksten Kraft im Europäischen Parlament gewählt worden war. Doch viele hatten einen bestimmten Satz erwartet, selbstbewusst, stark und überzeugend vorgetragen – zum Beispiel so: „Und deshalb will ich jetzt Präsident der Europäischen Kommission werden.“ Doch es war nicht der Kandidat, sondern EVP-Parteichef Joseph Daul, der Webers Beförderung zum Kommissionspräsidenten einforderte. Das Ringen um den wichtigsten Job der EU hat längst begonnen.

Frans Timmermans, der sozialdemokratische Spitzenkandidat, und Margrethe Vestager, die Nummer eins des liberalen Teams, formulierten hingegen ihre Ansprüche offen. Weber überließ das Reden auch am Montag zunächst anderen. „Wir werden alles tun, um Manfred Weber an die Spitze der EU-Kommission zu bringen“, sagte der scheidende EU-Kommissar Günther Oettinger. Hinter den Kulissen habe es „erste Gespräche“ gegeben, war in Brüssel zu erfahren. Die Spitzenkandidaten hätten miteinander telefoniert. Doch die Regie führen nun andere.

Konferenz der Präsidenten

Eine Schlüsselrolle fällt Parlamentspräsident Antonio Tajani – Christdemokrat wie Weber – zu. Für Dienstag hat er eine Konferenz der Präsidenten einberufen, wie die Fraktionschefs in der EU-Terminologie heißen. Vorteil Weber: Da er Vorsitzender der EVP-Fraktion ist, sitzt er mit am Tisch – seine Gegenspieler nicht. Hauptthema: Tajani will herausfinden, ob man sich schnell auf einen Kandidaten einigen kann, für den es eine Mehrheit gibt. Webers Achillesferse ist, dass er mit einem schwachen deutschen Unionsergebnis kommt. Das macht die stark, deren Zustimmung er braucht. Sozialdemokraten, Liberale und Grüne pokern mit den Christdemokraten und wollen inhaltliche Zugeständnisse als Gegenleistung für eine Wahl des EVP-Kandidaten. Das kann dauern.

Dennoch wird von dem Treffen eine wichtige Weichenstellung erwartet: Tajani möchte von den Fraktionschefs hören, ob sie hinter der Forderung stehen, nur einen Spitzenkandidaten zum Kommissionschef zu machen. Sollte diese Entscheidung so fallen (woran nach entsprechenden Äußerungen im Wahlkampf kaum Zweifel bestehen), wäre dies ein Signal an die Staats- und Regierungschefs, die offenbar mit anderen Varianten spielen – wie Emmanuel Macron.

Viele Aspekte beim Personalkarussell

Diese sitzen am Abend zusammen, mit Macron und ohne Weber. Frankreichs Staatspräsident telefonierte schon am Sonntag mit Angela Merkel. Bevor der EU-Gipfel beginnt, will Macron mit den Ministerpräsidenten Spaniens, Polens, Ungarns, der Slowakei und Tschechiens sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk zusammengekommen sein. Erst dann geht es in die 28er Runde. Dass sich diese schon auf einen Namen einigt, gilt als ausgeschlossen. Stattdessen dürfte Tusk beauftragt werden, in Verhandlungen mit dem Parlament zu treten, um Wege auszuloten. Dabei geht es nicht nur um Weber, sondern wohl auch um die Frage, wer Anfang Juli Parlamentspräsident werden könnte. Diese beiden Entscheidungen stünden beim regulären EU-Gipfel Ende Juni auf der Tagesordnung – zusammen mit der Frage, wer neuer Außenbeauftragter der Union wird.

Weber muss also warten. Womöglich noch sehr viel länger. Denn die übrigen frei werdenden Positionen – EU-Ratspräsident und Präsident der Europäischen Zentralbank – wollen die Staatenlenker erst im Oktober besetzen. Und sollte es bis dahin noch keine Einigung geben, wäre auch das Thema Weber bis dahin zurückgestellt.

Denn beim Personalkarussell gilt es viele Aspekte zu beachten: Alle Parteien wollen berücksichtigt werden. Und auch regional braucht man Ausgewogenheit. Ein hochrangiger EU-Diplomat sagte: „Es ist nicht einmal sicher, ob die Chefs das Personaltableau vom Kommissionschef her aufrollen oder ob nicht der EZB-Präsident für einige viel wichtiger ist.“ Der EU könnte eine personalpolitische Hängepartie ins Haus stehen.

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