Vorsitz der Linken Wer folgt auf Sahra Wagenknecht?

Berlin · Wer soll die Linke in Zukunft steuern? Sahra Wagenknechts Erzrivalin Katja Kipping hat wenig Chancen. Dietmar Bartsch würde die Fraktion auch alleine führen.

 Noch im Amt: Sahra Wagenknecht, Linken-Fraktionschefin, mit Co-Chef Dietmar Bartsch.

Noch im Amt: Sahra Wagenknecht, Linken-Fraktionschefin, mit Co-Chef Dietmar Bartsch.

Foto: picture alliance/dpa

Katja Kipping geht aufs Trampolin, um sich abzureagieren. Es ist ein „rückenschonendes“ Sportgerät, wie sie sagt, wohl auch ein nervenschonendes, und es steht in ihrem Wohnzimmer. Man könnte sich vorstellen, dass die Parteivorsitzende der Linken große Sprünge machte, als ihre ärgste Widersacherin, Sahra Wagenknecht, im März ihren Verzicht auf den Vorsitz der Bundestagsfraktion bekannt gab.

Doch so einfach ist das nicht. Denn es tut sich gerade ein großes Fragezeichen auf, wer überhaupt die Linke in absehbarer Zukunft mit welcher Strategie steuern soll. Mag Wagenknechts Rückzug – aus gesundheitlichen Gründen – für Entspannung im Verhältnis zwischen Partei- und Fraktionsspitze sorgen – er reißt erst einmal eine Lücke.

Denn ihre Nachfolge ist völlig offen, Kipping und Co-Parteichef Bernd Riexinger müssen nächstes Jahr aufhören, weil sie ihre Ämter dann acht Jahre ausgeübt haben, länger kann man bei der Linken nicht Chefin oder Chef sein. Von Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch heißt es, er würde die Fraktion am liebsten fortan alleine führen, wie es einst Gregor Gysi tat. Keine lästigen Absprachen mehr, organisatorisch habe er ohnehin bisher den Löwenanteil geleistet, heißt es. Wagenknecht war die kluge, schöne Rednerin, die die Plätze füllte und im Fernsehen glänzte. Sehr viel mehr Stimmen hat das der Linken aber nicht gebracht.

Für Kipping wäre es verlockend

Bartsch will über die Entscheidung über Wagenknechts Nachfolge nicht sprechen. Lediglich, dass das nach der Europawahl, den Kommunalwahlen und der Landtagswahl in Bremen am 26. Mai geklärt werde. Also irgendwann vor der Sommerpause, die Ende Juni beginnt – und damit weit vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen.

Für Kipping wäre es verlockend, Wagenknechts Nachfolge anzutreten, bevor sie 2020 ohnehin den Parteivorsitz abgeben müsste. Ihre Macht an oberster Stelle wäre gesichert. Doch die 41-Jährige würde keine Mehrheit der 69 Bundestagsabgeordneten zusammenbekommen, verlautet aus Fraktionskreisen. Die Wagenknecht-Fans sehen in ihr die Königsmörderin, weil der Streit um die Flüchtlingspolitik zuweilen so weit eskalierte, dass Wagenknecht vorgeworfen wurde, sie fische im AfD-Lager. Ausgerechnet Wagenknecht, die Philosophin und Ökonomin und frühere Frontfrau der Kommunistischen Plattform.

Bartsch ist der neue alte starke Mann

Außerdem kommt Kipping wie Bartsch aus dem Osten. Zwar ist auch Wagenknecht in Ostdeutschland geboren, gilt aber wegen ihrer Bundestagskandidatur in Nordrhein-Westfalen und ihres Lebens im Saarland mit Ehemann Oskar Lafontaine als Wessi. Es müsste sich also eine Frau finden, die idealerweise ein Gegenstück zu dem Oberrealo Bartsch aus Mecklenburg-Vorpommern wäre. Dafür kommen nur sehr wenige infrage. Und gleich, wer es wird, sie dürfte es schwer haben.

Denn der 61-jährige Bartsch ist der neue alte starke Mann der Linken. Er hat in dieser Partei so gut wie alles gesehen. Krisen, Rücktritte, Niederlagen, Erfolge. 1991 wurde er Schatzmeister der von der SED zur PDS gewandelten Partei, später Bundesgeschäftsführer der nachfolgenden Linkspartei und schließlich Fraktionschef der abermaligen Nachfolgepartei Die Linke. Er ist der Erfahrenste von allen Beteiligten. Außer Gysi natürlich, aber der war schon Parteichef und Fraktionschef und führt jetzt die Europäische Linke. Bartsch hat zu viel erlebt und hat noch zu viel vor, um jetzt die Dinge treiben zu lassen. Und er hat – im Gegensatz zu anderen in der seiner Partei – nie einen Zweifel daran gelassen, dass er noch eine Regierungsbeteiligung der Linken im Bund erleben will.

„Es gab in der letzten Wahlperiode mit SPD, Linken und Grünen eine Mehrheit im Parlament“, sagte er unserer Redaktion. „Die SPD hat diese nicht genutzt. Jetzt würden von den Sozialdemokraten sicher viele den Versuch wagen, mit der Linken zu koalieren.“ Sein Ziel bleibe, die Bundesrepublik sozialer und friedlicher zu machen. Für ein Mitte-Links-Bündnis brauche es aber einen grundsätzlichen Politikwechsel, eine intensive Sozialpolitik und eine andere Finanz- und Steuerpolitik. „Die Menschen müssen das Vertrauen haben, dass wir den Sozialstaat wiederherstellen.“

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