Status quo des Bonn-Berlin-Gesetzes Vorsicht, Rutschbahn!

BERLIN · Auch wenn sich die Regierung zum Bonn-Berlin-Gesetz bekennt, baut der Bund in Berlin auf Vorrat. Noch unklar ist, ob die Arbeitsteilung an Spree und Rhein auch im nächsten Koalitionsvertrag festgeschrieben wird.

Innenminister Thomas de Maizière weihte im Juni 2015 den Neubau seines Ministeriums in Berlin ein. (Archivbild)

Innenminister Thomas de Maizière weihte im Juni 2015 den Neubau seines Ministeriums in Berlin ein. (Archivbild)

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Effizienz ist nicht gleich Effizienz. Wenn Barbara Hendricks, Beauftragte der Bundesregierung für den Berlin-Umzug und den Bonn-Ausgleich, sich zur Arbeitsteilung der Ministeriumsstandorte zwischen Bonn und Berlin äußert, wird die Bundesbauministerin selten euphorisch. Nüchtern bescheinigt die SPD-Politikerin vom Niederrhein, „dass die Zusammenarbeit sowohl innerhalb der Ministerien als auch zwischen den Ressorts effektiv in dem Sinne ist, dass die Aufgaben vollständig und fristgerecht erfüllt werden“. Das klingt nach einem zähneknirschenden Eingeständnis: Die Arbeit an getrennten Dienstsitzen an Rhein und Spree funktioniert. Allerdings werde diese Funktionsfähigkeit der Bundesregierung „nur durch die Inkaufnahme eines deutlichen Mehraufwandes aufrechterhalten“, so Hendricks in ihrem Statusbericht zum Berlin-Umzug und Bonn-Ausgleich. Die Ministerin spricht nicht von Gesamtumzug, sie gibt auch keine Empfehlung ab. Doch die Ministerin weiß, dass ein solcher Statusbericht auch still seine Wirkung entfalten kann.

Hendricks hatte in der Vergangenheit mehrfach erkennen lassen, dass sie den „ungesteuerten Rutschbahn-Effekt, in dessen Folge immer mehr Ministeriumsarbeitsplätze schleichend von Bonn nach Berlin wandern, beenden möchte. Zwar finden sich im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zwei Sätze, die man getrost als Bekenntnis zu dieser Arbeitsteilung verstehen kann: „Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum.“ Doch in sechs Monaten endet diese Legislaturperiode. Und ob im Koalitionsvertrag einer nächsten Bundesregierung die Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin erneut festgeschrieben wird, ist zumindest offen. Die Bonner CDU-Bundestagsabgeordnete Claudia Lücking-Michel jedenfalls will die Rutschbahn nach Berlin nicht tatenlos hinnehmen: „Die Bonner Abgeordneten werden mit Unterstützung der Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auch gegen größten Widerstand alles dafür tun, dass ein Bekenntnis zum Bonn-Berlin-Gesetz auch in einem nächsten Koalitionsvertrag stehen wird.“ Am Wochenende hatte die NRW-CDU bei ihrem Parteitag in Münster ein klares Bekenntnis zum Bonn-Berlin-Gesetz abgelegt.

Derweil schafft der Bund in Berlin mit Erweiterungs- und Neubauten Fakten und Raum – auch für zusätzliche Arbeitsplätze an der Spree. Das passt zu Berlin, die wegen ihren permanenten Baustellen gerne als Stadt, die nie fertig wird, beschrieben wird.

Für möglichen weiteren Zuzug aus Bonn will Hendricks in Berlin jedenfalls gewappnet sein. Vorsicht, Rutschbahn! So planen Innen-, Gesundheits- und Arbeitsministerium Neu- und Erweiterungsbauten in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe. Bundesinnenminister Thomas de Maizière, gebürtiger Bonner, steht gewissermaßen auf der obersten Gerüstebene. 2015 erst hat de Maizière seinen Neubau bezogen. Jetzt soll in unmittelbarer Nähe zur Regierungszentrale bis 2022 auf 6000 Quadratmeter Platz für 350 Mitarbeiter geschaffen werden. Auch Hendricks selbst will ihre drei Ministeriumsstandorte in Berlin unter einem Dach zusammenführen und lässt derzeit den Raumbedarf für einen Erweiterungsbau ermitteln. Das Bundesgesundheitsministerium plant gleichfalls einen Neubau in Berlin. Frühest möglicher Einzug: Ende 2020. Minister Hermann Gröhe, selbst aus Nordrhein-Westfalen und Verfechter des Bonn-Berlin-Gesetzes, betont gleichwohl: „Ich möchte, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in Bonn wohlfühlen – und nicht, dass sie ihre Koffer packen. Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen an beiden Standorten ein.“

Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, erster Dienstsitz Bonn, prüft derzeit Alternativen zu seinem maroden Ministeriumsbau in Berlin. Dabei steht neben einer Anmietung auch ein Neubau zur Debatte, was in Bonn Befürchtungen weckt, das BMZ könnte später womöglich ganz nach Berlin ziehen. Die CDU-Abgeordnete Lücking-Michel hält dagegen: Viele internationale Organisationen und die UN seien einst nach Bonn gekommen, weil die Ministerien für Entwicklung und Umwelt ihren Sitz in Bonn haben. „In Zukunft werden diese Ministerien in Bonn bleiben, weil sich all diese Organisationen hier angesiedelt haben.“

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