Sexattacken im Militär US-Präsident Barack Obama fordert Konsequenzen

WASHINGTON · Die dunkle Seite der größten Armee der Welt hat seit Wochenbeginn ein neues, hässliches Gesicht. Oberstleutnant Jeffrey Krusinski wurde von der Polizei im Washingtoner Vorort Arlington verhaftet, weil er betrunken eine Frau sexuell genötigt haben soll. Auf dem Fuße folgte die Suspendierung vom Dienst. Nimmt man die jüngsten Äußerungen von Präsident Obama zum Maßstab, müsste der Soldat bei erwiesener Schuld "unehrenhaft aus dem Militär entlassen werden".

Soldatinnen werden immer häufiger Opfer von sexuellen Übergriffen in der US-Armee.

Soldatinnen werden immer häufiger Opfer von sexuellen Übergriffen in der US-Armee.

Foto: dpa

Dem Pentagon ist der Vorfall hochnotpeinlich. Krusinski ist nicht irgendwer. Der Offizier ist bei der Luftwaffe federführend für ein Programm zuständig, mit dem die in den Streitkräften grassierende sexuelle Gewalt und Belästigung eingedämmt werden soll. Hauptbetroffene: Frauen.

Ausweislich einer neuen Studie des Verteidigungsministeriums wurden 2012 exakt 3374 Fälle von "sexual harrasment" gemeldet - gegenüber 3192 im Jahr zuvor. Pentagon-Chef Chuck Hagel geht aber davon aus, dass die echten Zahlen dramatisch höher ausfallen. Danach wurden im vergangenen Jahr 26 000 Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätzen oder heimischen Kasernen Opfer sexueller Belästigung und Gewalt. Im Jahr zuvor seien es 19 000 gewesen. Bemerkenswert für Streitkräfte, in denen ein dickes Handbuch den pflichtgemäßen Umgang der Geschlechter bis ins kleinste Detail reguliert.

Der Oberkommandierende Obama will sich mit dem seit Jahren bekannten Phänomen nicht länger abfinden. Wer sich solcher Vergehen schuldig mache, "betrügt die Uniform", sagte Obama am Dienstag. "Unterm Strich steht: Ich toleriere so etwas nicht. Basta." Verteidigungsminister Hagel sei angewiesen worden, "erhebliche Schritte zu unternehmen", um das Übel abzustellen. Sex-Skandale im Militär höhlten schleichend die Moral der Truppe aus und schädigten das Ansehen der US-Armee weltweit.

Fachleute im Pentagon sehen unterdessen einen kausalen Zusammenhang zwischen der geringen Zahl der angezeigten Delikte und der hohen Ziffer anonymer Opfer: Nur in acht Prozent der Fälle führe eine Anzeige zu spürbaren Maßnahmen gegen den oder die Täter.

Dafür sei die besondere Diziplinarstruktur innerhalb der Armee verantwortlich, die vor keinem zivilen Gericht Bestand finden würde. Kurz gesagt: In der US-Armee ist es - anders etwa als in Israel - der Vorgesetzte, der allein darüber befindet, ob dem Opfer geglaubt wird oder nicht. Wird der Vorwurf bejaht, räumt der Vorgesetzte damit ein, dass derartige Übergriffe unter seinem Kommando geschehen sind.

Ein Interessenkonflikt, den die demokratische Senatorin Kirsten Gillibrand aus New York auflösen will. Sie hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der an die Wurzeln des Problems geht. Danach würde die juristische Aufarbeitung so genannter "sexual assaults" aus der jeweiligen Kommando-Kette komplett herausgelöst. Damit würde verhindert, dass Vorgesetzte entscheiden können, ob ihnen untergebene Soldaten a) überhaupt angeklagt werden und b) ob im Falle einer verhängten Strafe das Urteil anerkannt oder ignoriert wird.

2012 verfuhr Oberstleutnant Susan Helms nach Schema b) und wurde dafür heftig kritisiert. Konsequenz: Ihre Nominierung zur stellvertretenden Kommandeurin einer speziellen Einheit der Luftwaffe liegt derzeit auf Eis. Claire McCaskill, demokratische Senatorin aus Missouri, hält es für nicht hinnehmbar, dass ihre Geschlechtsgenossin die Belange des Opfers fahrlässig ignoriert habe.

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