Wohlstand afro-amerikanischer Familien Unter Obama ist Reichtum um 31 Prozent zurückgegangen

WASHINGTON · Kann man messen, wie viel "Traum" von Martin Luther King in Erfüllung gegangen ist? Ist in Zahlen zu fassen, wie weit Schwarz und Weiß in Amerika 50 Jahre danach noch auseinander liegen. Oder zusammengerückt sind? Wie viel sagt formale gesetzliche Gleichberechtigung über das Leben im Alltag aus?

 Feststimmung und Protest: Zehntausende nehmen am neuen "Marsch auf Washington" teil.

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Foto: ap

In den Tagen vor dem Jubiläum bemühen, je nach Standpunkt, die verschiedenen politischen Lager jede Menge Statistiken und Erhebungen, um Fortschritt und Rückschläge zu quantifizieren. Das Bild ist so uneinheitlich wie Amerika. Trotz etlicher Verbesserungen, so viel darf man konstatieren, sind die Vereinigten Staaten aber von echter Chancengleichheit noch weit entfernt.

[kein Linktext vorhanden] Unter Obamas Präsidentschaft, in der anfangs eine gewaltige Wirtschaftskrise zu überstehen war, ist der Wohlstand schwarzer Familien um 31 Prozent zurückgegangen, hat das Urban Institute ermittelt, verglichen mit einem Minus von elf Prozent bei Weißen.

Die Arbeitslosen-Quote bei Afro-Amerikanern liegt landesweit mit rund 14 Prozent doppelt so hoch wie in der weißen Bevölkerung. Schwarze verfügen heute über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 21.000 Dollar, Weiße landen bei 27 000. 40 Prozent schwarzer Kinder wachsen in Armut auf. Schwarze Wissenschaftler an der Elite-Universität Princeton sprechen von einer "schwarzen Depression".

Dazu kommen historisch gewachsene Ungleichgewichte im Sektor Kriminalität, Polizei und Justiz. Obwohl die Delikt-Raten landesweit seit 20 Jahren zurückgehen, sind schwarze Familien, ob als Opfer oder Täter, mit Abstand am verwundbarsten. Schwarze machen nur 13 Prozent der Bevölkerung aus - stellen aber 50 Prozent aller Opfer und Täter bei Tötungsdelikten.

Von knapp 2,3 Millionen Häftlingen sind eine Million schwarz. Polizeimaßnahmen nach Rasse-Kriterien ("racial profiling") sorgen wie zuletzt in New York immer wieder für Verdruss. In der Weltstadt war bis zur einstweiligen Aufhebung durch Gerichte eine Methode in Kraft ("stop and frisk"), die pro Jahr 700.000 Menschen vorübergehend in Polizeigewahrsam brachte, auch wenn kein Beweis für eine Straftat vorlag.

Auffällig: In einer zu 44 Prozent weißen Stadt waren 90 Prozent der Festgesetzten Schwarze und Latinos. Nach einer Gallup-Umfrage haben knapp 30 Prozent der schwarzen Männer zwischen 18 und 34 in den vergangenen 30 Tagen eine unfaire Behandlung durch die Polizei erfahren.

Aber nicht alle Daten sind düster: 85 Prozent der Afro-Amerikaner verlassen die Schule heute mit einem Abschluss, ermittelte die National Urban League. 1963 waren es nur 25 Prozent. Die Zahl schwarzer Hochschüler habe sich verdreifacht. Und der Anteil derer, die unter der Armutsgrenze leben, sei von 48 auf 28 Prozent gefallen. Die Zahl afro-amerikanischer Colleges hat sich binnen 50 Jahren verdreifacht.

Wo 1963 ein Schwarzer von 100 die Uni-Reife erlangte, sind es heute statistisch betrachtet fünf. Die Zahl der Hauseigentümer in den "black communities" ist um 15 Prozent gestiegen. Dennoch: Weißen geht es bei Betrachtung aller gesellschaftlichen Indikatoren im Schnitt besser.

Einen Grund für das Ungleichgewicht sehen Wissenschaftler in der mangelnden Repräsentanz von Schwarzen auf dem höchsten politischen Parkett: Gab es 1963 nur fünf schwarze Abgeordnete im Repräsentantenhaus in Washington, so sind es heute 43, plus ein schwarzer Senator und ein schwarzer Präsident. Bei insgesamt über 530 Mandatsträgern eine immer noch sehr überschaubare Zahl.

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