Kommentar zum öffentlichen Dienst Umdenken

Meinung | Bonn · Der Gesellschaft sollten die öffentlichen Dienste mehr wert sein. Das kostet zwar Geld - lohnt sich am Ende aber für alle.

 Gewerkschafter des Öffentlichen Dienstes demonstrieren während der 2. Runde der Tarifverhandlungen vor einem Tagungshotel in Potsdam. Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Einkommen, die Arbeitgeber lehnen dies als zu hoch ab.

Gewerkschafter des Öffentlichen Dienstes demonstrieren während der 2. Runde der Tarifverhandlungen vor einem Tagungshotel in Potsdam. Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Einkommen, die Arbeitgeber lehnen dies als zu hoch ab.

Foto: dpa

Witze über die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, über lahme und unmotivierte Beamte, gehören zum Repertoire zweitklassiger Humoristen. Über angeblich faule Lehrer lästerte mit Gerhard Schröder sogar ein Bundeskanzler über das staatliche Personal. Kein Wunder, dass Bedienstete es bei Tarifverhandlungen immer wieder schwer haben, die in dieser Auseinandersetzung wichtige öffentliche Meinung auf ihre Seite zu bringen. Das ist auch bei der gestern begonnenen zweiten Tarifrunde für die gut zwei Millionen Beschäftigten beim Bund und den Kommunen der Fall. Sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt wollen die Gewerkschaften durchsetzen.

Das klingt unbescheiden. Am Ende wird wie üblich auch weit weniger herausspringen. Doch das ist gar nicht entscheidend. Wichtiger ist ein Umdenken hinsichtlich des öffentlichen Dienstes insgesamt. Was ist der Gesellschaft ein gut organisiertes, effizientes und auch in Extremlagen gut funktionierendes Gemeinwesen wert? Ist uns der private Konsum teilweise überflüssiger Dinge wichtiger als gute Lehrerinnen und Feuerwehrleute? Wollen wir Pflegebedürftige unmotivierten Helfern überlassen, die den Job nur übernehmen, weil sie nichts besseres finden? Nein, das will wohl niemand, schon gar nicht, wenn es um die Sicherheit geht. Der Ruf nach mehr Polizei, nach einem wirksamen Schutz vor Terrorakten, besseren Lebensmittelkontrollen oder zusätzlichen Steuerprüfern wird immer schnell laut, wenn etwas schiefgeht. Doch bleibt die Kritik folgenlos, wenn es an der Bereitschaft mangelt, dafür auch etwas auszugeben. Es wird noch weitgehend verkannt, dass sich die Rolle des öffentlichen Dienstes massiv verändert hat.

Früher konnte man Forderungen leicht mit dem Argument kontern, dass ihre Stellen im Vergleich zur freien Wirtschaft ja lebenslang gesichert seien und sie deshalb schlechter bezahlt werden könnten. Heute steht der öffentliche Arbeitgeber im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft um fähige Leute. Die Polizei kann keine Aufklärung im Internet betreiben, wenn sie IT-Spezialisten nicht angemessen entlohnt. Dann findet sie keine Spitzenkräfte. Die Wirtschaft bleibt nur konkurrenzfähig, wenn die nächste Generation sehr gut ausgebildet auf den Arbeitsmarkt kommt. Insbesondere gute Nachwuchskräfte können sich den Arbeitsplatz mittlerweile aussuchen. Die vermeintliche Sicherheit des Staatsdienstes zieht bei vielen nicht mehr.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Attraktivität der Stellen in Schulen, Krankenhäusern oder Behörden zu erhöhen. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein wichtiger Faktor. Auch eine höhere Wertschätzung der Leistungen der Angestellten und Beamten ist nötig, statt sie immer nur herabzuwürdigen. Aber ein guter öffentlicher Dienst kostet vor allem mehr Geld, als wir bisher auszugeben bereit sind.

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