Frankreich Triumph der Weiblichkeit

PARIS · Nathalie Kosciusko-Morizet will im nächsten Jahr für die bürgerliche Rechte das Pariser Rathaus erobern, hat aber Schwachstellen: zu unkonventionell für die konservativen Wähler, zu bourgeois für volkstümlichere Schichten. Eines aber erweist sich nicht als Nachteil: Dass sie eine Frau ist.

 Nathalie Kosciusko-Morizet will Bürgermeisterin von Paris werden.

Nathalie Kosciusko-Morizet will Bürgermeisterin von Paris werden.

Foto: dpa

Genau wie ihre sozialistische Hauptrivalin Anne Hidalgo, seit Jahren rechte Hand des abtretenden Bürgermeisters Bertrand Delanoë. Eine dritte Bewerberin zog sich zurück, weil die Konkurrenz zu stark schien, um sie noch strahlen zu lassen: Rachida Dati, einst glamouröse Justizministerin unter Sarkozy, jetzt nur noch EU-Abgeordnete und Stadtteil-Bürgermeisterin.

Auch wenn sie dort noch eine Minderheit sind, drängen Frauen in Frankreich immer entschlossener an die Macht. Marine Le Pen hat den rechtspopulistischen Front National zwar von ihrem Vater geerbt, aber längst unumstritten in der Hand und zu nie dagewesenem Erfolg geführt: Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 erreichte sie mit 18 Prozent den dritten Platz, beim nächsten Mal käme sie laut Umfragen sogar in die Stichwahl.

Ihre 23-jährige Nichte Marion Maréchal-Le Pen ist jüngste Abgeordnete in der Nationalversammlung. Die französischen Grünen führte Cécile Duflot, bevor sie Ministerin für sozialen Wohnungsbau wurde. Und bei der Präsidentschaftskandidaten-Kür der Sozialisten sahen viele in Martine Aubry, der Tochter des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors, bereits eine "französische Angela Merkel". François Hollande unterlag sie nicht wegen ihres Frauseins; ihr fehlte letztlich wohl eher die Merkel'sche Durchsetzungskraft. Die deutsche Kanzlerin genießt in Frankreich hohes Ansehen für ihr souveränes Auftreten in einer maskulin dominierten Sphäre. Stünde eine geeignete Kandidatin zur Wahl, wären die Franzosen wohl bereit, sie an die Staatsspitze zu wählen.

Nur einmal gelangte 2008 mit der Sozialistin Ségolène Royal bislang eine Frau in die Endrunde der Präsidentschaftswahl. Ebenfalls nur einmal und nur für knapp ein Jahr gab es Anfang der 90er Jahre eine französische Premierministerin: Édith Cresson. Noch sind Politikerinnen auf allen Ebenen unterrepräsentiert, wenn ihr Anteil auch steigt: Nur 14 Prozent der französischen Bürgermeister, 27 Prozent der Abgeordneten in der Nationalversammlung und 22 Prozent im Senat sind weiblich, allerdings 44 Prozent der EU-Parlamentarier und die Hälfte des aktuellen Regierungskabinetts.

Denn dort für Geschlechtergleichheit zu sorgen, gehört zu Hollandes bereits eingelösten Wahlversprechen - wenn das auch nur für die sichtbare erste Reihe gilt, nicht für die Büroleiter und übrigen Beamten. Auch hat er nach 26 Jahren wieder ein Frauen-Ministerium geschaffen und es mit der 35-jährigen, energiegeladenen Najat Vallaud-Belkacem besetzt.

Auch in der Wirtschaft ist Gleichstellung nicht erreicht, weder bei der Besetzung von Chefposten noch hinsichtlich der Gehälter. Allerdings gibt es seit 2011 eine Frauenquote für Aufsichts- und Verwaltungsräte, die 2014 zu 20 Prozent, 2017 zu 40 Prozent weiblich besetzt sein müssen.

Der französische Arbeitgeberverband Medef unterstützt sie, dem selbst eine Ausnahmefrau voransteht: Laurence Parisot, die unscheinbar wirkt, aber umso durchsetzungsstärker ist. Weil ihr kein drittes Mandat zusteht, muss sie nun zwar abtreten von dem machtvollen Posten. Doch sie findet wohl einen anderen. Wie Kosciusko-Morizet, Hidalgo und die anderen hat sie bewiesen, zäh genug zu sein, im noch ungleichen Wettbewerb der Geschlechter zu bestehen.

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