Neuwahlen in Großbritannien Theresa Mays Plan geht auf

London · Der Wahlkampf auf der Insel kann beginnen. Das britische Parlament winkt mit großer Mehrheit den Antrag auf vorgezogene Neuwahlen durch. Die Opposition wirft May hingegen vor, ihr Wort gebrochen zu haben.

 Theresa May zeigte sich am Mittwoch angriffslustig.

Theresa May zeigte sich am Mittwoch angriffslustig.

Foto: dpa

Es war Brenda aus Bristol, die in 14 Sekunden aussprach, was etliche Briten umtrieb: „Nicht schon wieder eine“, antwortete die Frau genervt auf die Frage, was sie von einer vorgezogenen Neuwahl hält. „Ich kann es nicht mehr ertragen, es geht im Moment zu viel um Politik.“ Doch auch wenn das kurze Video von der Rentnerin in den sozialen Medien die Runde machte und sie als „Stimme der Nation“ gefeiert wurde, die Brendas dieses Königreichs wurden nicht gehört.

Mittwochnachmittag votierte das britische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit für eine Neuwahl am 8. Juni. 522 Abgeordnete stimmten dafür, lediglich 13 lehnten den von Premierministerin Theresa May beantragten Schritt ab. Der Wahlkampf kann beginnen.

Brexit soll zum Erfolg werden

Zuvor warb die konservative Regierungschefin erneut um Unterstützung für ihren Kurs. Sie werde das Volk um ein Mandat dafür bitten, „den Brexit durchzuführen und daraus einen Erfolg zu machen“. Die Wahl gebe dem Land „eine starke und stabile Führung“. Die Opposition warf der Regierungschefin vor, ihr Wort gebrochen zu haben. Sie sei „eine Premierministerin, der man nicht trauen kann“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn und zielte damit auf Mays bislang größte politische Kehrtwende ab: Seit sie im Juli 2016 in die Downing Street eingezogen war, hatte sie Neuwahlen kategorisch ausgeschlossen. Am Dienstag dann der Umschwung.

Regulär hätte die nächste Abstimmung 2020 stattgefunden. Die Premierministerin strebt an, ihre Machtbasis auszubauen und ein persönliches Mandat für die anstehenden Brexit-Verhandlungen mit der EU zu erhalten. Im vergangenen Jahr wurde sie nach dem Brexit-Votum und dem Rücktritt von David Cameron allein von der Tory-Parteibasis zur Regierungschefin gekürt.

Die Schwäche der Opposition nutzen

Umfragen zufolge würden nur 23 Prozent der Wähler für die Sozialdemokraten stimmen, die Konservativen liegen bei 44 Prozent. Für May war die Versuchung offenbar zu groß, die Schwäche der Opposition ungenutzt zu lassen. Die Chancen, dass bis 2020 ein neuer Vorsitzender Labour führt, stehen hoch. Oder dass die Stimmung gekippt ist und die Briten die Konservativen für mögliche negative Auswirkungen des EU-Austritts 2019 verantwortlich machen. Mit dem wahrscheinlichen Sieg im Juni bleibt den Tories mehr Zeit.

Einen innerparteilichen Konkurrenten ist die Regierungschefin seit gestern erst einmal los. George Osborne, Ex-Finanzminister und einst engster Vertrauter des ehemaligen Premierministers David Cameron, hat angekündigt, seinen Sitz im Parlament „vorerst“ aufzugeben. Dafür arbeitet er nun als Chefredakteur für die Londoner Zeitung „Evening Standard“. Und dürfte es genießen, von dieser Position aus Theresa May auf die Finger zu schauen. Seinen Traum, eines Tages selbst Premierminister zu werden, scheint er jedenfalls nicht aufgegeben zu haben.

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