Sicht in den USA "The Handyüberwachung Disaster"

WASHINGTON · In den USA entsteht zunehmend öffentlicher Druck auf das Weiße Haus. Mike Allens "Playbook" ist so etwas wie der Pflicht-Tageskalender der politischen Klasse in Washington. Der Frühaufsteher unter den führenden Hauptstadt-Journalisten schickt jeden Morgen einen digitalen Rundbrief durch die Lande, der die heißesten Themen und Personalien des Tages aufspießt.

Der Abhörskandal um den Geheimdienst NSA, der den Graben zwischen Europa und Amerika binnen weniger Tage gefühlt erheblich verbreitert hat, kam darin am Freitag allerdings nur anekdotisch vor. Washington schert sich nur bedingt um die Aufwallungen jenseits des Atlantiks.

Michael Hayden, einst selbst NSA-Chef mit Hang zur Überheblichkeit, hatte im Zug am Handy im Verschwörer-Ton ("Sie können meinen Namen nicht nennen") delikate Interviews zum Zwist Merkel/Obama an und für sich gegeben. Ein hinter ihm sitzender Bürgerrechts-Aktivist hörte unfreiwillig mit, twittert die Posse in die Welt hinaus und machte den Ex-Geheimdienstler so zur Witzfigur.

Dass die in Fort Meade beheimatete National Security Agency darüber nur bedingt lachen kann, liegt an einer geballten Ladung Öffentlichkeit, die Roger Cohen, der Kolumnist der New York Times auf den süffigen Titel "The Handyüberwachung Disaster" bringt. Tenor des Kommentars: Obama riskiert nach dem diplomatischen Gau um die Ausspähung des Mobiltelefons von Angela Merkel einen langfristigen außenpolitischen Schaden, wenn er die Umtriebigkeiten der aus 16 verschiedenen Diensten bestehenden Sicherheits-Community nicht auf den Prüfstand stellt - und mit Augenmaß eindämmt.

Ahnend, dass die zu Wochenbeginn durch den "Spiegel" losgetretene Welle neuer Snowden-Enthüllungen nicht die letzte gewesen sein könnte, geht die Regierung in Washington jetzt proaktiv vor. Geheimdienst-Koordinator James Clapper lässt diverse Geheimdienste weltweit vorbeugend anrufen, darunter auch russische und chinesische. Sinngemäße Botschaft: "Nur damit ihr?s wisst. In den nächsten Tagen könnte in der Zeitung stehen, dass wir euch hier und dort ausspionieren."

Falls der Bundesnachrichtendienst (BND) betroffen sein sollte, kann Clapper das persönliche Gespräch wählen. In der kommenden Woche haben sich in Washington diverse hochrangige Delegationen aus Berlin und Brüssel angekündigt, um nach monatelangem Schweigen und Vertrösten von den zuständigen US-Stellen endlich reinen Wein eingeschenkt zu bekommen. Darüber etwa, wie weit die "Executive Order 12333" denn nun wirklich reicht. Die Verfügung gilt quasi als das Grundgesetz der amerikanischen Geheimdienste.

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