Terrorzelle: Verfassungsschutz tappte im Dunkeln

DÜSSELDORF · Der als mutmaßlicher Helfer der Zwickauer Terrorzelle NSU in Düsseldorf verhaftete Carsten S. war dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz bis zur Aufdeckung des rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)" nicht bekannt.

 Der Hauseingang der Aids-Hilfe Düsseldorf. Dort arbeitete der Festgenommene.

Der Hauseingang der Aids-Hilfe Düsseldorf. Dort arbeitete der Festgenommene.

Foto: dpa

"Der Verfassungsschutz hätte die Person gekannt, wenn sie in NRW in der rechtsextremen Szene aufgetaucht wäre", erklärte die Chefin des NRW-Verfassungsschutzes, Mathilde Koller, im Innenausschuss des Landtags. Zudem lag nach Angaben der Polizeibehörden auch keine polizeiliche Strafakte gegen S. in NRW vor.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) sieht in der Verhaftung von S. einen Beweis, dass die Bundesanwaltschaft intensiv in der rechten Szene ermittelt. "Das wird Zug um Zug zu weiteren Verhaftungen führen. Die Ermittlungen stehen erst am Anfang", sagte Jäger.

Die Bundesanwaltschaft verdächtigt S., entweder 2001 oder 2002 in Jena eine Schusswaffe und die dazugehörige Munition beschafft zu haben. Die Waffe soll später in die Hände der NSU-Terroristen geraten sein. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hat S. damit "billigend in Kauf genommen, dass die Waffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden konnte". S. sei dringend verdächtig, Beihilfe zu sechs von zehn Morden der NSU geleistet zu haben.

S. war 2003 von Jena nach NRW umgezogen. In Jena gehörte S. zu den Führungskadern der NPD, deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) sowie des Kameradschaftsbundes Thüringer Heimatschutz an. S. behauptete allerdings, bereits im Jahr 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein.

Im Innenausschuss des Landtags stellte der SPD-Abgeordnete Hans-Willi Körfges die Frage, warum den NRW-Verfassungsschutzbehörden nicht bekannt gewesen sei, dass ein führender NPD-Funktionär aus Jena nach Düsseldorf umgezogen sei. "Es wundert mich, dass S. nicht in den Fokus des Verfassungsschutzes geraten ist". Körfges verwies darauf, dass S. "keine unbekannte Größe und kein unbeschriebenes Blatt" gewesen sei.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sieht nach der Festnahme von Christian S. steigende Erfolgsaussichten für ein NPD-Verbot. "Die Festnahme zeigt erneut die große Nähe zwischen NPD-Funktionären und gewalttätigen rechtsextremen Kreisen", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bekräftigte, wenn es gelänge nachzuweisen, dass die Rechtsterroristen der militante Arm der NPD gewesen seien, hätte ein NPD-Verbot "relativ schnelle klare Erfolgschancen".

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe lotet derzeit die Chancen eines möglichen NPD-Verbotsverfahrens aus. Unterdessen werden weitere Weichen für eine politische Aufarbeitung der Neonazi-Morde gestellt.

Das Bundeskabinett will am Mittwoch offiziell eine Bund-Länder-Kommission einsetzen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa benannte die SPD den früheren Berliner Innensenator Ehrhart Körting. Die Union schlägt den früheren Hamburger Innensenator Heino Vahldieck vor, die FDP den Münchner Rechtsanwalt Eckhart Müller. Die Grünen benannten den früheren Bundesanwalt am Bundesgerichtshof, Bruno Jost.

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