Kleiner Parteitag der Grünen Teilnehmer stimmten für Urwahl - Kandidatenrennen kann beginnen

BERLIN · Jeder darf mal ran. Die Parteichefin zuerst. Claudia Roth hat Spaß an der Attacke. Hinter ihr steht in übergroßen weißen Lettern: "Aufbruch 2013". Der Startschuss für den kommenden Wahlkampf ist gefallen, jedenfalls bei den Grünen.

 Eine, die Parteichefin der Grünen werden möchte: Katrin Göring-Eckardt am Sonntag in Berlin.

Eine, die Parteichefin der Grünen werden möchte: Katrin Göring-Eckardt am Sonntag in Berlin.

Foto: dpa

Die CSU bekommt ihr Fett weg: eine "Partei der regionalen Choleriker". Die FDP, "Speerspitze der mobbenden Unvernunft", kommt gleich hinterher. Noch geht es um die Energiewende.

Deren Farbe: Grün. Selbstverständlich. Roth stimmt, da sich der Länderrat, der kleine Parteitag, im "grünen" Bezirk Wedding trifft, auf einen besonderen Count-Down ein: den "für den Schwarz-Gelb-Down 2013", wie es die Grünen-Chefin mit einem bemühten Sprachbild ausdrückt.

Bundestags-Fraktionschef Jürgen Trittin zieht über die "180-Grad-Wende" als "Markenzeichen" der Regierung von Angela Merkel her. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt wettert gleichfalls gegen die schwarz-gelbe Energiewende, die wegen der steigenden Energiepreise auf dem Rücken von Einkommensschwachen ausgetragen werde.

Und Co-Fraktionschefin Renate Künast macht sich über "das große Märchen" von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) lustig, der wegen steigender Agrarpreise und Dürren einen sofortigen Verkaufsstopp für den Biosprit E 10 gefordert hatte.

Natürlich reden Roth, Trittin, Göring-Eckardt und Künast bei Grünen-Parteitagen, auch bei einem kleinen wie diesen, der nur 80 Delegierte versammelt. Doch dieses Mal ist etwas anders. Jede(r) dieser vier Grünen-Promis will auf einen neuen Spitzenplatz. Sie kandidieren, wie auch die Nobodys von der Basis, Franz Spitzenberger und Werner Winkler, um einen von zwei Plätzen für jenes Spitzenduo, das die Grünen in den Wahlkampf 2013 führen soll.

Sie haben ihren Auftritt. Vor der Halle geben sie ein Interview nach dem nächsten. Hier Künast, dort Roth, da wieder Trittin. Ein Mikrofonträger einer öffentlich-rechtlichen Polit-Satiresendung verteilt Fähnchen: "Werner-Winkler-Wählen". Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen sich präsentieren.

Gerade in den kommenden Wochen, wenn die knapp 60 000 Grünen-Mitglieder in einer Urwahl die beiden Köpfe für dieses Spitzenduo wählen sollen. Seit heute läuft das Verfahren, Informationsvorlauf inklusive. Am 10. November soll eine knappe Woche vor dem nächsten Bundesparteitag in Hannover das Ergebnis vorliegen.

Doch vorher entscheidet der Länderrat. Urwahl oder nicht. Den Delegierten liegt ein Antrag des Bundesvorstandes vor, der just ein solches Verfahren vorschlägt. Die Politische Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke verhehlt nicht, dass die Beschlussvorlage Fragen aufgeworfen hatte: "Ist das klug? Bringt das was? Gehen da nicht Personen vor die Inhalte?"

Deswegen: "Das war anstrengend, das war umstritten." Aber eine Urwahl bei den Grünen werde immer etwas mit Inhalten zu tun haben. "Das wäre ein ziemlich geiler Start in den Wahlkampf", wirbt Lemke mir rotem Piratenkopftuch um grüne Zustimmung.

Toni Hofreiter, Vorsitzender des Bundestags-Verkehrsausschusses, hat von der Idee einer Urwahl zunächst nur in der Zeitung gelesen. "Insbesondere in Funktionärskreisen" sei darüber "heftig diskutiert" worden. Aber Kreisverbände, versichert Hofreiter nach Rückkoppelung mit der Basis, fänden die Urwahl eine "gute Idee". Denn der Wahlkampf für 2013 werde nicht leicht. Und ein solches Verfahren mit Beteiligung aller Parteimitglieder "kann erfolgreich mobilisieren".

Dann passiert etwas, was bei den Grünen so gut wie nie vorkommt. Nach Hofreiter finden sich keine Zettel mit Namen weiblicher Delegierter in der Losbox. Auch dies kann man als Meinungsbild für die Urwahl sehen. Und weil bei den Grünen alles "mindestquotiert" ist, endet damit die Debatte des Länderrates über die Urwahl bevor sie begonnen hat. Spricht keine Frau, darf auch kein Mann mehr sprechen.

Um 16.23 Uhr haben die Grünen Klarheit: Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung stimmt der Kleine Parteitag für die Urwahl. Die Kandidatinnen und Kandidaten können sich jetzt warmlaufen. Und sie müssen sich hochoffiziell bewerben. Bundestagsfraktionschef Trittin sieht in der Urwahl jedenfalls einen "Meilenstein im Wettbewerb mit den anderen Parteien".

Es gehe um nichts weniger als die Frage, welche beiden Personen grüne Inhalte im Wahlkampf "am besten transportieren" und im Falle einer Ablösung von Schwarz-Gelb "in einer Koalition auch durchsetzen können". Wen Trittin da wohl im Blick hat? Er lächelt zufrieden und setzt auf eine hohe Wahlbeteiligung.

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