Afghanistan und die USA Szenen der Zerrüttung

WASHINGTON · Es ist das bisher drastischste Zeugnis der Zerrüttung zwischen Afghanistans Präsident Hamid Karsai und den seit zwölf Jahren im Land stehenden Amerikanern. Wie die "Washington Post" unter Berufung auf enge Berater des Paschtunen-Führers schreibt, hält Karsai die USA für den Drahtzieher mehrerer verheerender Selbstmord-Attentate, die bislang den Taliban zugeschrieben wurden.

Darunter auch der international registrierte Anschlag auf ein bekanntes Kabuler Restaurant, bei dem am 17. Januar 21 Menschen starben, darunter 13 Vertreter ausländischer Hilfsorganisationen. Laut "Post" glaubt der nach den Wahlen im April aus dem Kabuler Präsidentenpalast ausscheidende Karsai, dass Amerika mit den Sabotage-Akten "seine Regierung schwächen und Instabilität ins Land tragen will". Belege für seine Anschuldigungen hatte Karsai auf Nachfrage nicht vorzuweisen.

Erwartungsgemäß empört zeigten sich die Amerikaner. Botschafter James Cunningham sprach von einer "zutiefst verschwörerischen Wahrnehmung, die mit der Wahrheit bricht". Es spreche gegen "jede Logik und Moral", dass die USA "dem Feind helfen, den wir besiegen wollen". General Joseph Dunford, Oberkommandierender der noch 38 000 US-Soldaten am Hindukusch, sieht in den Behauptungen Karsais einen "Bärendienst" für die 2170 US-Soldaten, die bisher in Afghanistan gefallen sind. Mit einer Protestnote der Regierung in Washington wird in Kürze gerechnet.

Dort hat man zuletzt mit Kopfschütteln registriert, dass Karsai seine Strategie der "Dämonisierung", wie es ein Pentagon-Mitarbeiter gegenüber dieser Zeitung nannte, von Woche zu Woche verschärft. Zuletzt hatte er behauptet, dass es Afghanistan besser ginge, wenn die Amerikaner endlich abzögen und die Taliban Regierungsmitverantwortung übernähmen. Nach Umfragen sieht eine überwältigende Mehrheit der Afghanen das vollkommen anders.

Augenfälligstes Beispiel für Karsais Crash-Kurs war die Reaktion des Präsidenten nach dem Attentat auf die "Taverna du Liban" in Kabul. Nach dem folgenschwersten Anschlag auf ausländische Zivilisten seit Jahren versagte sich Karsai Anteilnahme für die Opfer. Er zog stattdessen Parallelen zu einem US-Luftangriff in der Provinz Parwan, bei dem am 15. Januar zwölf Zivilisten gestorben sein sollen. Und verknüpfte dies mit einem Streitpunkt, der die Beziehungen zwischen den USA und Afghanistan seit Wochen belastet: Ohne den Verzicht auf solche Luftangriffe werde er, Karsai, kein Abkommen unterzeichnen, dass ein militärisches Engagement der USA ab 2015 absichert. Washington verlangt binnen Wochen eine Kurskorrektur. Andernfalls sei ein Totalabzug der für die nationale Sicherheit derzeit noch unverzichtbaren Truppen des Westens Ende 2014 die Konsequenz.

Die New York Times wies am Wochenende nach, dass Karsais Regierung in erheblichem Umfang die Fakten beugt. Zum einen sei der Luftangriff von afghanischer Seite bestellt und autorisiert worden.

Zum anderen habe die Regierung in Kabul bei der Dokumentation der Opfer auf dubioses Beweismaterial zurückgegriffen. Mindestens zwei Bilder zeigten junge Männer, die bereits vor dem 15. Januar gestorben sein müssen. Indiz: Die Taliban hatten die Opfer schon vor Wochen auf ihren Propaganda-Seiten im Internet platziert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort