Konjunktur Starkes Deutschland, schwache Europartner

BRÜSSEL · Der Konjunktur-Motor brummt, Deutschlands ökonomische Stärke in der EU gilt als unbestritten. Trotzdem wächst der Druck auf die Bundesrepublik. "Es geht nicht darum, die deutsche Wirtschaft zu drosseln. Aber es geht sehr wohl darum, andere Länder an dem Wachstum teilhaben zu lassen", sagte ein hohes Mitglied des Finanzministerrates, der in Brüssel tagte.

Kommissionskreise bestätigten, dass man "den Fall Deutschland derzeit besonders genau prüft", nachdem die Zahlen des Jahres 2013 vorliegen. Demnach ist der Leistungsbilanz-Überschuss weiter gewachsen und hat den höchsten Stand seit 2007 erreicht: Zwar ging der Export um 0,2 Prozent zum Vorjahr zurück, gleichzeitig sanken aber auch die Importe um 1,2 Prozent, so dass unter dem Strich ein Plus von deutlich über sechs Prozent steht.

Die Finanzminister schlugen denn auch - gegen den Willen Berlins - deutliche Töne an: "Diese erhöhten Leistungsbilanzüberschüsse sind zusammen mit den Leistungsbilanzdefiziten anderer Mitgliedstaaten Schuld daran, dass der Euro-Raum von Ausgewogenheit weit entfernt ist", heißt es im Abschlussdokument.

Die Kommission wurde aufgefordert, die "Ungleichgewichte" zwischen den Mitgliedstaaten zu untersuchen und darauf zu dringen, dass diese korrigiert werden. Sinn dieser neuen Maßnahme: Man will verhindern, dass einige Mitgliedstaaten ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Auswirkungen bei ihren Nachbarn wachsen, sie sollen ihre Stärke zugunsten der ganzen Währungsunion einbringen.

Dass Brüssel nicht nur ökonomisch schwache, sondern auch besonders starke Mitgliedstaaten unter die Lupe nimmt, ist Bestandteil der sogenannten verstärkten Haushaltsüberwachung. Dabei geht es um die Frage, ob möglicherweise der Export die Einfuhr um mehr als sechs Prozent übersteigt.

In Deutschland ist dies seit 2007 ununterbrochen der Fall. Nicht nur die US-Regierung, der Internationale Währungsfonds und etliche Nachbarstaaten beschweren sich schon seit längerem über die negativen Folgen der Exportstärke der Bundesrepublik. Denn je mehr deutsche Produkte ausgeführt werden, umso geringer seien die Chancen der schwächeren Marktwirtschaften im Süden, lautet die Kritik.

"Wir leiden darunter, dass Deutschland den Markt beherrscht", sagte gestern der Finanzminister eines EU-Mitgliedslandes im Süden. "Und wir leiden auch darunter, dass die Bundesrepublik so wenig einführt und konsumiert. Innerhalb einer Währungsunion darf es solche krassen Unterschiede nicht geben."

Das sieht die Kommission genauso. Zwar hielt man sich im ersten Bericht zu den makroökonomischen Ungleichgewichten in der Euro-Zone noch mit konkreten Empfehlungen zurück. Intern aber heißt es, dass die Bundesregierung mehr tun müsse, um die Binnennachfrage anzukurbeln. Soll heißen: Löhne rauf, Steuern und Abgaben runter. Dass bei Kraftstoff und Energie der Anteil der Abgaben teilweise deutlich über 50 Prozent liege, gilt in Brüssel als massives Hindernis für ein besseres Konsumklima.

Anders als von Deutschland erhofft, billigten die Finanzminister der 28 EU-Mitgliedstaaten die ersten Analysen der Kommission und bestärkten die Barroso-Mannschaft sogar noch in ihrem Kampf gegen "übermäßige Ungleichgewichte". Für die Bundesrepublik heißt das: Sollte die Kommission tatsächlich in wenigen Wochen ein förmliches Verfahren eröffnen und dieses mit einer Rüge enden, könnte Deutschland seine übermäßige Stärke teuer zu stehen kommen. Ein Bußgeld könnte bis zu 2,5 Milliarden Euro pro Jahr betragen.

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