Koalitionsverhandlungen SPD-Haushaltsexperte droht mit Verhandlungsabbruch

BERLIN · Die Finanz-Arbeitsgruppe von Union und SPD beschäftigte sich mit finanziellen Spielräumen für den Haushalt. Das Thema ist für die Koalitionsbildung hoch brisant. Die SPD war in den Wahlkampf mit dem Ruf nach Steuererhöhungen für Gutverdiener gezogen. Die Mehreinnahmen sollten für die Verbesserung der Infrastruktur zweckgebunden verwendet werden. Die CDU lehnt Mehrbelastung des Steuerzahlers ab.

"Wenn wir keine zusätzlichen finanziellen Spielräume schaffen - sei es durch den Abbau von Steuervergünstigungen, sei es durch mehr Flexibilität bei der Neuverschuldung - können wir die Arbeiten einstellen", sagt SPD-Unterhändler Joachim Poß.

"Wenn wir keine zusätzlichen finanziellen Spielräume schaffen - sei es durch den Abbau von Steuervergünstigungen, sei es durch mehr Flexibilität bei der Neuverschuldung - können wir die Arbeiten einstellen", sagt SPD-Unterhändler Joachim Poß.

Das Drama kam etappenweise: In den letzten zehn Tagen hatten jene Arbeitsgruppen, die zwischen SPD und Union einen Kompromiss in den weniger umstrittenen Fragen erzielten, ihre Papiere öffentlich gemacht. Jedem war eine Stellungnahme zu den voraussichtlichen Kosten beigefügt. Vor allem in der CDU-Parteizentrale wurde schnell addiert: Demzufolge wäre auf den Steuerzahler eine Mehrbelastung von - defensiv kalkuliert - 50 Milliarden Euro zugekommen. Wirtschaftsexperten gingen von erheblich stärkeren Belastungen aus.

Vor allem Kanzlerin Merkel trat auf die Ausgaben-Spaßbremse. Sie ließ durch Unions-Fraktionschef Volker Kauder mitteilen, dass es Anfang kommender Woche zu erheblichen Kürzungen bei den Arbeitsgruppen-Vorschlägen kommen werde. Es gibt eine so genannte F-Liste, auf die alle Maßnahmen kommen, die unter Finanzierungsvorbehalt stehen.

Die Kontroverse beschäftigte am Mittwoch die Finanz-Arbeitsgruppe aus Union und SPD ausgiebig. Das Thema ist für die Koalitionsbildung hoch brisant. Die SPD war in den Wahlkampf mit dem Ruf nach Steuererhöhungen für Gutverdiener gezogen. Die Mehreinnahmen sollten für die Verbesserung der Infrastruktur zweckgebunden verwendet werden.

Ihr Haushaltsexperte Joachim Poß drohte offen mit einem Abbruch der Verhandlungen: "Wenn wir keine zusätzlichen finanziellen Spielräume schaffen - sei es durch den Abbau von Steuervergünstigungen, sei es durch mehr Flexibilität bei der Neuverschuldung - können wir die Arbeiten einstellen." So die kaum kaschierte Warnung des SPD-Manns.

Wenig Perspektive sieht man auch unter den CDU-Verhandlern: "Einem Koalitionsvertrag, der die Lohnzusatzkosten über 40 Prozent steigen lässt", werde er nicht seine Stimme geben, tönte der Fraktionsvize Michael Fuchs. Seine Partei lehnte Steuererhöhungen ebenso ab wie eine Anhebung der Staatsverschuldung. Das sei kein Rezept in einer Zeit, in der der Staat von sprudelnden Steuereinnahmen geprägt werde. Das passe nicht zusammen, argumentieren Unions-Vertreter.

Das Sparthema bildete aber nur einen Teil der Beratungen im Finanzministerium, zu dem die SPD-Vertreter - absichtlich oder nicht - mit halbstündiger Verspätung erschienen. Grundsätzlich habe man einen Kompromiss gefunden, der die haushaltspolitische Vorgehensweise festschreibt. Ziel sei es, das strukturelle Haushaltsdefizit auf null Euro zu halten. Die entscheidenden Wegmarken werden aber wohl erst bei der alles entscheidenden Schlussrunde die Parteichefs setzen, die sich wahrscheinlich am Donnerstag der kommenden Woche treffen.

Die Unterhändler debattierten aber auch finanzpolitische Detailfragen. Zudem ging es um die Erarbeitung eines Abschlusspapiers. Der vorliegende zwölfseitige Entwurf einer Einigung, mit der sich heute die große 75er-Runde beschäftigen soll, vermeidet weitere Festlegungen. Es wird nur andeutungsweise formuliert, wie man denn den Abbau der Billionen-Schuldenlast bewerkstelligen will.

Das Thema einer umfassenden Steuerreform wird kaum berührt. Das Stichwort Subventionsabbau wird lediglich in vagen Absichtserklärungen gestreift. Obwohl die mutmaßlichen Koalitionsparteien über eine 80-Prozent-Mehrheit im Bundestag verfügen, ist nirgendwo eine Anstrengung für die Reform der Kommunalfinanzen erkennbar. Allerdings hätte auch eine große Koalition keine Mehrheit im Bundesrat, was die Sache nicht leicht macht.

Unumstritten ist die notwendige Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, die wohl im Rahmen einer neuen Föderalismusreform realisiert werden soll. Ansonsten gibt es wenig spektakuläre Änderungen: Es bleibt bei der Gewerbesteuer; die Länder sollen weiter an einer Reform der Grundsteuer arbeiten. In Sachen Erbschaftsteuerreform passiert vorerst gar nichts. Man wartet auf ein anstehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, das der Gesetzgeber dann umsetzen würde.

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