Interview mit CSU-Chef Söder: "Groko braucht einen neuen Geist"

CSU-Chef Markus Söder spricht im Interview über Rechtspopulismus, die Europawahl und die Bundesregierung. Er macht sich Sorgen um das deutsch-französische Verhältnis und warnt die SPD vor einem Bruch der Koalition.

 Markus Söder sieht keinen Anlass zu Veränderungen für die CSU-Ministerien.

Markus Söder sieht keinen Anlass zu Veränderungen für die CSU-Ministerien.

Foto: dpa

Herr Ministerpräsident, schöne Tasse, was sind Sie von diesen beiden Varianten, die Spinne im Netz oder der echte Mann?

Markus Söder: Ich habe als Kind gern Marvel-Comics gelesen. Und heute freue ich mich, dass meine Jungs diese Leidenschaft teilen. Spiderman ist eine schöne Geschichte von dem einfachen Jungen, der Großes zustande bringt. In der Politik arbeiten wir aber ohne Netz und doppeltem Boden.

Womit wir gleich beim Nachbarn Österreich wären. Sind Sie von dem Ausmaß der Korruptionsbereitschaft der FPÖ sowie dem harten Aufschlag der Regierung von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz überrascht?

Söder: Die Wucht ist groß, aber nicht überraschend. Eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten ist nirgendwo sinnvoll. Denn das Denken solcher Rechtspopulisten ist, dass sich der Staat deren Interessen unterzuordnen hat und deren Politik vor dem Recht rangiert und nicht umgekehrt. Neuwahlen als Konsequenz sind absolut richtig.

Wird die Affäre um die FPÖ Einfluss auf die Chancen der rechten Parteien bei der Europawahl am Sonntag haben?

Söder: Natürlich werden jetzt deren Funktionäre eine Dolchstoß-Legende konstruieren wollen. Wir müssen klar machen: Stimmen für Rechtspopulisten sind verschenkt. Sie wollen Europa regierungsunfähig machen, es lähmen und schwächen; sie wollen die Demokratie und Parlamente blockieren. Und dann wollen sie davon profitieren, indem sie sich als Retter aufspielen. Das ist ein historisch bekanntes destruktives Konzept. Deshalb der klare Appell vor allem an jene, die im Zweifel sind: Wir müssen uns dagegen wehren.

Wie läuft der Europawahlkampf für die CSU, so ohne Kanzlerin Angela Merkel als Wahlkämpferin?

Söder: CDU und CSU haben mit Manfred Weber erstmals einen gemeinsamen Spitzenkandidaten, der auch die Nummer eins der ganzen Europäischen Volkspartei ist. Wir verspüren überall Zuspruch für Manfred Weber. Es ist eine Chance für Deutschland und gerade auch für Bayern. Wir waren schon mal Papst, aber noch nie Kommissionspräsident (lacht).

Was sollte in Europa anders werden?

Söder: Innerhalb der EU fehlt manchmal der Respekt gerade vor den kleinen Ländern. Wir Deutsche sollten nicht ständig kleinere Länder belehren, sondern sie besser mitnehmen und verstehen. Dazu gehört ein besserer Austausch vor Ort – wie es früher war. Vom großen Tisch in Brüssel aus kann man nicht immer die ganze EU verstehen. Unter Freunden besucht man sich gegenseitig auch einmal zu Hause. Das war auch das Prinzip von Helmut Kohl und Franz Josef Strauß. Das will ich als CSU-Vorsitzender wieder beleben.

Haben sich die Freunde Frankreich und Deutschland zuletzt zu wenig besucht?

Söder: Das deutsch-französische Verhältnis macht mir Sorge. Das Grundverständnis, dass die EU nur dann funktioniert, wenn Deutschland und Frankreich gemeinsam handeln, scheint in Paris skeptischer betrachtet zu werden. Ich würde mich freuen, wenn es wieder mehr Gemeinsamkeit gäbe. Das heißt aber nicht, dass wir jeden Vorschlag aus Paris euphorisch aufnehmen müssen. Am Ende müssen beide Partner überzeugt sein und dazu braucht es Kompromisse. Bei allen Schwächen der großen Koalition hat Deutschland die größte innere und wirtschaftliche Stabilität innerhalb Europas. Frankreich hat sich deutlich verbessert, aber diskutiert noch immer zwischen Rechtsextremen und Gelbwesten. Es fehlt dort eine starke bürgerliche Mitte wie die CDU/CSU. Ich hoffe, dass Frankreich und Deutschland nach der Wahl gemeinsam Manfred Weber vorschlagen.

Was noch zum Beispiel?

Söder: Es wäre ein wichtiges Signal, wenn wir in den nächsten Jahren wirklich europäische Streitkräfte bekämen. Unsere Sicherheit lässt sich nur gesamteuropäisch denken. Warum sollte eine europäische Verteidigungsstrategie nicht von einem europäischen Verteidigungskommissar gestaltet werden? Wir sollten keine halben Sachen machen, sondern langfristig ein eigenständiges europäisches Verteidigungskontingent, eine Cyberbrigade und eine europäische Satellitenabwehr-Strategie auf den Weg bringen.

Noch mal zu Angela Merkel: War es richtig, dass sie nur einen Wahlkampfauftritt für die Union vor der Europawahl macht?

Söder: Sie macht Wahlkampf. Wobei ihr eigentlicher Einsatz für die EVP erst nach der Wahl losgeht. In dem dann zu erwartenden europäischen Personenpoker ist sie sicherlich unsere stärkste Fürsprecherin.

Aber nach der Wahl könnte die Bundesregierung schon auseinandergebrochen sein, sagen Mitglieder der Koalition.

Söder: Das glaube ich nicht. Die Regierung wird halten, weil es keine konstruktiven Alternativen gibt. Jedes Mal, wenn sich Parteien aus innerparteilichen Beweggründen aus einer Regierungsverantwortung verabschieden, kehren sie dahin nie mehr zurück. Man sollte sich keinen Vorteil beim Wähler erhoffen, wenn man sich vor der Verantwortung drückt.

Auch in der Union setzen manche auf einen Wechsel von Merkel zur CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer als Kanzlerin.

Söder: Angela Merkel hat klar gemacht, dass sie bis 2021 regieren will und Annegret Kramp-Karrenbauer hat gesagt, dass sie das unterstützt. Damit ist die Diskussion beendet.

Nach der Europawahl wird die SPD-Justizministerin nach Brüssel gehen. Der Posten muss neu besetzt werden. Ist auch ein neues Gesicht der Union zu erwarten?

Söder: Ich sehe dafür derzeit keinerlei Anlass.

Sie haben mit der CDU schon einmal die Ressorts Innen und Verteidigung getauscht.

Söder: Für die CSU-Ministerien gibt es keinerlei Anlass zu Veränderungen. Neue Köpfe allein helfen der Groko nicht, es braucht einen neuen Geist.

Worin könnte der sich ausdrücken?

Söder: In neuer Inspiration statt sich parteipolitisch in immer kleineren Karos zu verlieren. Wir könnten den kompletten Soli-Abbau jetzt angehen. Er wird am Ende ohnehin für alle kommen. Denn fast alle Juristen gehen davon aus, dass ein nur 90-prozentiger Abbau des Solidaritätszuschlags verfassungswidrig ist. Fällt der Zweck weg, muss die Abgabe fallen, und natürlich für alle. Außerdem müssen wir die Prioritäten ändern: Wir geben noch viel zu wenig für Innovationen aus. Wenn wir da nicht schleunigst zulegen, dann geht es uns wie im Fußball. Schöne Spiele in der Bundesliga, aber kein Erfolg in der Champions League.

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