Islam in Deutschland Skepsis gegenüber Ditib-Neuanfang

Köln · Die größte muslimische Organisation in Deutschland äußert Selbstkritik und will Debatten entschärfen. Das löst Reaktionen aus.

 Ein Blick in das neue Kölner islamische Gotteshaus: Moslems beten beim Mittagsgebet am Tag der offenen Moschee am 3. Oktober. FOTO: DPA

Ein Blick in das neue Kölner islamische Gotteshaus: Moslems beten beim Mittagsgebet am Tag der offenen Moschee am 3. Oktober. FOTO: DPA

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Der umstrittene Islam-Verband Ditib will einen Neuanfang. Und räumt selbstkritisch Fehler ein. Das sind bislang ungewohnte Töne aus Köln. Ist es eine echte Wende oder nur ein Manöver?

Es ist ein Werben um Vertrauen in Zeiten zunehmender Isolation. Die Ditib, größte Islam-Organisation in Deutschland, ist bisher aufgefallen durch Abschottung, spitzelnde Imame, Abhängigkeit von der Regierung in Ankara und ihrer Religionsbehörde Diyanet sowie durch mancherorts nationalistische Äußerungen. Vor wenigen Tagen hieß es, man wolle einen „intensiveren Austausch mit Partnern aus Politik, Gesellschaft und Presse pflegen“. Just, als sie wieder einmal unter Druck geraten war – diesmal wegen einer internationalen Islamkonferenz auch mit Beteiligung einiger Vertreter der radikalen Muslimbruderschaft. Die Reaktionen fallen nun skeptisch, misstrauisch, warnend aus. Die Gräben sind tief.

Die Islamexpertin Susanne Schröter meint: Unter dem neugewählten Spitzenpersonal sind altbekannte türkische Beamte. Der Vorsitzende Kazim Türkmen sei Botschaftsrat, Vize Ahmet Dilek Religionsattaché, Generalsekretär Abdurrahman Atasoy ein Imam der Diyanet. Sie waren vorher schon mal Ditib-Vorstandsmitglieder. Die Mehrheit der wahlberechtigten Delegierten habe man „direkt aus der Türkei eingeflogen“, sagt Schröter, Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Uni Frankfurt. Der Verband sei Polit-Instrument Ankaras. „Die einfachen Gemeindemitglieder in Deutschland haben nach wie vor nur wenig Einfluss auf die Ditib.“ Diyanet und Ditib wollten ein Gegengewicht zur Islamkonferenz von Innenminister Horst Seehofer (CSU) schaffen, meint Schröter.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, würde es „sehr bedauern, wenn die Ditib nicht die Zeichen der Zeit erkennt und endlich alles dransetzt, sich hin zu einer deutschen Religionsgemeinschaft zu entwickeln“. Dem GA sagte er, für den Zentralrat gäbe es selbstverständlich einen Islam deutscher oder europäischer Prägung. Die Kölner Islam-Konferenz hatte sich in ihrem Abschlusspapier gegen einen „deutschen Islam“ und einen „europäischen Islam“ ausgesprochen. Immerzu in der 1400-jährigen Geschichte der islamischen Zivilisation, so Mazyek, habe es mindestens kulturell, in vielen Teilen auch in den theologischen Auslegungen, unterschiedliche Prägungen gegeben. Verschiedene Auffassungen gibt es zum Beispiel bei der Imam-Ausbildung. Die Diyanet bildet laut Mazyek derzeit weitere 400 deutschsprachige Imame und Theologen in der Türkei aus. „Wir wollen ein Konzept, dass die Imame eine Ausbildung hierzulande erhalten.“

Die Politik in Bund und Ländern ist schon vor Längerem auf Distanz gegangen. Der Bund fördert keine Ditib-Projekte mehr. In NRW liegt die Zusammenarbeit auf Eis. Seit dem Putschversuch in der Türkei 2016 steht die Ditib als verlängerter Arm von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in der Kritik. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir warnte in den „Stuttgarter Nachrichten“, Ankara versuche, den Islam in Deutschland stärker unter seine Kontrolle zu bringen, und Erdogan strecke seinen Arm immer weiter nach Europa aus.

Das Echo aus NRW ist verhalten. Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) spricht von Ditib-Moscheegemeinden, die verzweifelt über das Agieren des Bundesverbands seien. „Es wird zu Abspaltungen kommen.“ Einige der gut 900 Gemeinden forderten Reformen, interne Kritiker sollen abberufen worden sein oder das Handtuch geworfen haben. Klar ist für die Landesregierung, dass sich die Ditib „aus ihrer Abhängigkeit und dem unmittelbaren Einfluss des türkischen Staats lösen“ müsse, teilte ein Sprecher dem GA mit. Nur wenn es „sichtbare Fortschritte“ gäbe, könne über „mögliche weitere Formen der Zusammenarbeit“ entschieden werden.

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