Sri Lankas neuer Präsident Schwache Person in starkem Amt

BANGKOK · Diese Überraschung hatte in Sri Lanka niemand dem 69-jährigen Präsidenten Mahinda Rajapakse zugetraut. Rund zwölf Stunden, nachdem er am Donnerstag bei den Präsidentenwahlen mit einem Unterschied von 400 000 Stimmen gegen seinen Parteikollegen Maithripala Sirisena verloren hatte, zog er aus seinem Palast in der Hauptstadt Colombo aus und erläuterte seinen Anhänger: "Ich will einen ruhige und geregelte Machtübergang."

 Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse.

Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse.

Foto: dpa

Rajapakse Gegenspieler Maithripala Sirisena wurde förmlich im Bett überrascht, als der seit zehn Jahren amtierende Staatspräsident unerwartet schnell seine Abdankung verkündete.

Abends um 18 Uhr legte der überraschte 62-jährige Politiker bereits den Amtseid ab. Der frühere Gesundheitsminister Sirisena saß in seiner Heimatstadt Polonnaruruwa, die neben Anuradhapura als Wiege der singhalesischen Zivilisation gilt, feiernd mit Anhängern beisammen, als in Colombo Ranil Wikremasinghe, der Vorsitzende von Sri Lankas kleiner Oppositionspartei, bereits die Übergabeformalitäten verhandelte. "Wir haben Rajapakse und seiner Familie Sicherheit garantiert", erklärte er. Ob diese Zusicherung auch Schutz vor einem Kriegsverbrechertribunal einschließt, mochte er nicht sagen, es ist aber anzunehmen.

Rajapakse hatte im Jahr 2009 mit kaltblütiger Entschlossenheit und um den Preis von etwa 100 000 Angehörigen der Tamilenminderheit die Unabhängigkeitsbewegung LTTE, die sich ebenfalls zahlreicher Menschenrechtsvergehen schuldig gemacht hatte, liquidiert und damit den 26-jährigen Bürgerkrieg beendet. Bei der Bevölkerungsmehrheit der Singhalesen galt er seither lange Jahre als Held. Aber Rajapakse platzierte nicht nur drei Brüder in Schlüsselstellungen der Regierung und gab seinem Sohn Namal freie Hand bei Geschäften. Er missbrauchte auch seine Parlamentsmehrheit, um sich mit in Sri Lanka unbekannter Machtfülle auszustatten. Gleichzeitig kannte der Präsident, der am Freitagmorgen plötzlich seine demokratischen Tugenden wieder entdeckte, keine Gnade gegenüber Kritikern.

Er ließ deutsche Stiftungen aus dem Land werfen. Just am Wahltag jährte sich zum fünften Mal der Tag der Ermordung von Lasantha Wikrematunge, damals Chefredakteur des Wochenblatts "Sunday Leader". In einem für den Fall eines Todes hinterlassenen Brief beschuldigte der Journalist den Präsidenten persönlich, den Mord angeordnet zu haben. Angesichts solcher Methoden erwarteten Bewohner Sri Lankas, dass Rajapakse sich auch im Fall einer Niederlage ans Amt klammern würde.

Stattdessen sorgte er selbst bei seinen Kritikern für Jubel. "Die Demokratie lebt", verkündete nach dem Oppositionswahlsieg der Journalist Marwaan Macan-Markar. "Das Ergebnis beweist", erklärte Paikiasothy Saravanamutta vom Center for Policy Alternatives in Colombo, "dass die Bevölkerung Sri Lankas keine Autokratie dulden will."

Rajapakse hatte mit Hilfe seiner massiven Mehrheit im Parlament die Verfassung geändert und sich eine dritte Amtszeit genehmigt. "Eine Familie kontrolliert die Wirtschaft und die Macht", warnte Sieger Sirisena im Wahlkampf, "das Land steuert auf eine Diktatur zu."

Diese Furcht teilten nicht nur die islamische Minderheit und die Tamilen, deren größte Partei "Tamil National Alliance" (TNA) den Widersacher Rajapakses unterstützte. Selbst viele Singhalesen entschieden sich bei der Wahl, die mit nur 400 000 Stimmen Unterschied bei 15 Millionen Wahlberechtigten denkbar knapp ausfiel, für den früheren Gesundheitsminister.

Im Wahlkampf versprach Sirisena, die Machtfülle des Präsidentenamts wieder einzuschränken. Doch erst einmal wird er sie nutzen. Denn seine Regenbogenallianz steht im Parlament auf so schwachen Füßen, dass viele in Sri Lanka bereits in ein bis zwei Monaten allgemeine Neuwahlen erwarten. Bis dahin kann der eher schwache neue Präsident Sirisena nur dank der Machtinstrumente regieren, die der starke Präsident Rajapakse schuf und die ihm zum Verhängnis wurden.

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