Sanktionen Russland antwortet mit dosierten Gegenmaßnahmen

MOSKAU · Die Einreise in die EU sei ihm noch gestattet, erzählte der russische Magnat Gennadi Timtschenko kürzlich der Agentur ITAR-TASS über seinen Alltag auf der Sanktionsliste der USA. Aber er selbst verlasse Russland nicht mehr, um keine Provokationen des US-Geheimdienstes zu riskieren.

"Meine Familie ist nach Südfrankreich gefahren, wo wir traditionell Urlaub machen. Ich aber bin von den Verwandten getrennt, von meinem geliebten Hund", erklärte Timtschenko nicht ohne Spott. Sein Hund Romi sei übrigens die leibliche Tochter Connies, des Labradors Wladimir Putins...

Die politische Elite Moskaus reagiert mit einer demonstrativen Mischung aus Ironie und Ignoranz auf die sich verschärfenden Sanktionen des Westens gegen die russische Ukraine-Politik. Die Staatsmacht aber lässt demonstrativ Gegensanktionen vom Stapel. So verkündete die Gesundheitsbehörde Rospotrebnadsor gestern, sie prüfe ein Einfuhrstopp der US-Bourbon-Marke "Kentucky Gentleman".

In dem Maiswhisky habe man krebserregende Stoffe gefunden. Zuvor hatte Rospotrebnadsor Salmonellen in McDonalds-Salaten entdeckt, vergangene Woche verboten die staatlichen Lebensmittelprüfer den Import ukrainischer Säfte, Milch und Milchprodukte, Gemüse und Fischkonserven. Ukrainische Kartoffeln sperrte man schon früher aus, ebenso Süßwaren der Firma Rochen, die dem ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko gehört. Aus hygienischen Gründen ist seit Anfang August auch die Einfuhr polnischen Obsts und Gemüses untersagt.

In Moskau aber zweifelt niemand, dass diese Importverbote Sanktionen darstellen. "Das sind politische Entscheidungen", sagte der Außenwirtschaftsexperte Andrei Susdal unserer Zeitung. "Sicher liefern unsere europäischen Nachbarn uns eine Menge minderwertiger Lebensmittel." Aber das gelte auch für Weißrussland, wo die Behörden wegsähen. "Die Ukraine tut einerseits, als führten wir Krieg gegen sie, andererseits will sie auf unserem Markt verdienen. Das geht nicht."

Allerdings betrachten auch russische Beobachter die sich ballenden Importstopps als Waffen eines Wirtschaftskrieges, mit dem Russland seinerseits die Ukraine in die Knie zwingen will. "Putin scheint davon auszugehen, dass die Ukraine wirtschaftlich sehr bald kollabieren wird", schreibt die Zeitung Wedomosti.

Zuerst aber ist die russische Billigfluglinie "Dobroljot" in Folge westlicher Sanktionen zusammengebrochen. Sie stellte gestern ihre Flüge ein, weil europäische Leasing- und Service-Partner die Kooperation gekündigt hatten. Die Aeroflot-Tochter war Ende Juli auf eine EU-Sanktionsliste geraten, weil sie vor allem die von Russland annektierte Krim anfliegt. Russische Experten glauben trotzdem, der Kreml werde dosiert antworten.

"Mit gezielten Sanktionen gegen die Ukraine, gegen Polen, die baltischen Staaten und Schweden, vielleicht auch Großbritannien, gegen die Staaten, die Russland am feindseligsten begegnen", so der Politologe Jewgeni Mintschenko. Eine Eskalation, etwa ein Gasembargo gegen die EU, schließt er aus. "Das wäre ein Schlag gegen das eigene Geschäft. Europa ist Gasproms lukrativster Markt."

Am Montag begannen Russlands Streitkräfte ein Großmanöver mit über 100 Kampfflugzeugen, die Einsätze nahe der ukrainischen Grenze trainieren sollen. Außer mit Sanktionen rasselt Moskau vor allem mit dem Säbel.

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