Regierungskrise in Italien Renzis Risiko

Meinung | Rom · Der König ist tot, es lebe der König. Nach diesem Motto hören sich die waghalsigen Pläne von Matteo Renzi nach dem verlorenen Verfassungsreferendum in Italien an.

 Der italienische Premier Matteo Renzi (links) im Gespräch mit seinem Finanzminister Pier Carlo Padoan während der Parlamentsdebatte.

Der italienische Premier Matteo Renzi (links) im Gespräch mit seinem Finanzminister Pier Carlo Padoan während der Parlamentsdebatte.

Foto: AFP

Matteo Renzi blieb trotz der Niederlage und seines anschließend angekündigten Rücktritts auf Drängen von Staatspräsident Sergio Mattarella noch bis zur Verabschiedung des wichtigen Haushaltsgesetzes im Amt. Das war eine angemessene Entscheidung. Das Staatsoberhaupt hat seine erste Bewährungsprobe in dieser für die Stabilität Italiens entscheidenden Phase überstanden.

Nach Renzis definitivem Rücktritt droht Italien nun der Sprung ins Ungewisse. Das legen auch die jüngsten Pläne des Premiers nahe. Der 41-Jährige übernahm nach seiner Abstimmungsniederlage am Sonntag beim Verfassungsreferendum zu Recht die volle Verantwortung für diesen Misserfolg. 59 Prozent stimmten gegen die Reform, mit der Renzi sein politisches Schicksal verknüpft hatte.

Ein eindeutiges Votum, das Renzi nun kühn in eine Chance umgedeutet hat. 41 Prozent, so das Kalkül, stimmten für die Reform und damit für den Premier. Käme der Parteichef des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) bei Neuahlen auf ein ähnliches Ergebnis, wäre das ein großer Erfolg.

Der Plan, die Italiener innerhalb weniger Monate ein neues Parlament wählen zu lassen, ist ein Wagnis. Die Finanzmärkte würden das Risiko eines Sieges der unberechenbaren und EU-skeptischen 5-Sterne-Bewegung und ihres Megafons Beppe Grillo kalkulieren.

Der stärkste Gegner dieser Option ist deshalb Staatspräsident Mattarella, der während der Krise Garant der Stabilität sein will. Das Staatsoberhaupt strebt eine neue Regierung an, die bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Februar 2018 amtiert.

Doch auch diese Variante birgt Risiken. Italien bekäme damit bereits die dritte Regierung in Folge, deren Chef nicht als Spitzenkandidat bei Wahlen kandidierte und somit keine direkte Legitimation durch die Wähler hätte. Diese Distanz zwischen Wahlvolk und Exekutive ist in der Demokratie ein gefährliches Gift. Käme Italien im kommenden Jahr wirtschaftlich weiter nicht voran, bekämen die Populisten noch mehr Zulauf. Das bittere Erwachen wäre dann nur aufgeschoben.

Das Vabanquespiel Renzis, jetzt alles zu riskieren, hat aus dieser Sicht durchaus seine Berechtigung. Dass der 41-Jährige trotz aller früherer Ankündigungen, sich ins Privatleben zurückzuziehen, weiterhin politische Ambitionen hegt, war kein Geheimnis. Der Premier hat einen gravierenden Fehler begangen, indem er aus politischem Kalkül ein Referendum über die bereits beschlossene Verfassungsreform ansetzte und diese Sachfrage auch noch personalisierte.

Dennoch bleiben Renzi und die von ihm geführte Partei neben der 5-Sterne-Bewegung die einzige mehrheitsfähige politische Option in Italien.

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