EU-Gericht Rechte der Asylbewerber werden gestärkt

BRÜSSEL/LUXEMBURG · Ein Flüchtling hat unter Umständen deutlich mehr Freiheiten als bisher, sich jenes Land auszusuchen, in dem sein Asylantrag bearbeitet und geprüft werden muss.

 Wenn ein EU-Staat Asylbewerber besonders schlecht behandelt, können andere EU-Staaten gezwungen sein, über Asylanträge zu entscheiden - für die sie sonst nicht zuständig wären. Dies haben die EU-Richter entschieden. Das Bild entstand in Ostfrankreich.

Wenn ein EU-Staat Asylbewerber besonders schlecht behandelt, können andere EU-Staaten gezwungen sein, über Asylanträge zu entscheiden - für die sie sonst nicht zuständig wären. Dies haben die EU-Richter entschieden. Das Bild entstand in Ostfrankreich.

Foto: AFP

Mit diesem wegweisenden Urteil bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag die bisherigen Bestimmungen der umstrittenen Dublin-II-Verordnung, weitete sie zugleich aber deutlich aus.

Auslöser des Verfahrens war ein Iraner, der zunächst nach Griechenland geflohen war. Von dort gelangte er illegal in die Bundesrepublik und stellte bei den hessischen Behörden seinen Antrag auf Asyl.

Diese lehnten eine Bearbeitung mit dem Hinweis auf die Dublin-II-Verordnung ab. Sie schreibt vor, dass das EU-Mitgliedsland, in dem der Flüchtling europäischen Boden betreten hat, für die Prüfung des Falls zuständig ist. Mit dieser Begründung sollte der Bewerber abgewiesen und nach Athen zurückgeschickt werden.

Der Betreffende klagte vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main und bekam Recht. Die Richter urteilten nämlich, dass Deutschland in Anbetracht der unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen in den griechischen Aufnahmelagern zur Aufnahme des Bewerbers und Prüfung seines Antrags verpflichtet gewesen sei.

Tatsächlich stützte der EuGH in seinem gestrigen Spruch die Auffassung der Frankfurter Juristen. Demnach kann ein Asylbewerber verlangen, dass sein Gesuch von den Behörden eines anderen EU-Staates geprüft wird. Dies gilt dann, wenn eine Ausweisung an das Einreiseland für den Flüchtling eine Verletzung seiner Grundrechte mit sich bringen würde.

Deutschland hat schon seit längerer Zeit die Rückführung von Asylanten aus Griechenland eingestellt, weil die dortigen Lager als unmenschlich, überfüllt und nicht den EU-Normen entsprechend gelten. Außerdem werden die von Brüssel vorgeschriebenen Einzelfallprüfungen offensichtlich nicht gründlich genug durchgeführt.

Die EU-Richter bestimmten nun, dass ein deutsches Gericht die Situation selbst prüfen könne, dazu aber nicht verpflichtet sei. Grundsätzlich bleibe der erste Staat, in dem der Flüchtling in die EU einreist, zuständig.

Gleichzeitig gab der EuGH den deutschen Gerichtshöfen eine Mahnung mit: Denn eine solche Prüfung dürfe kein "unangemessen langes Verfahren" sein. Notfalls seien die deutschen Stellen verpflichtet, den Aufnahmewunsch des Bittstellers selbst zu prüfen und zu entscheiden. (Aktenzeichen: EuGH C-4/11)

Mehr Asylbewerber

Die Zahl der asylsuchenden Flüchtlinge aus Syrien in Deutschland ist deutlich gestiegen. Im Oktober stellten 1629 Menschen aus dem Bürgerkriegsland einen Asylantrag, das waren 28 Prozent mehr als im Vormonat, wie das Bundesinnenministerium gestern in Berlin mitteilte. Syrien rückte damit auf der Liste der Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden auf Platz eins.

Insgesamt wurden im Oktober 12 940 Erstanträge auf Asyl gestellt, wie das Ministerium weiter mitteilte. Dies waren knapp 13 Prozent mehr als im Vormonat und 30 Prozent mehr als im Oktober des Vorjahres. Hinter Syrien folgen auf der Liste der Herkunftsländer Serbien (1553 Asylanträge), Mazedonien (999), Eritrea (691) und Afghanistan (652).

Ägypten rückte auf Platz sechs vor, weil sich die Zahl der ägyptischen Asylsuchenden im Vergleich zum Vormonat auf 640 fast verdoppelte. Insgesamt wurden im Oktober 1303 Antragssteller als Flüchtling nach der Genfer Konvention anerkannt, wie das Ministerium weiter mitteilte.

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